Erbfolgeordnung in Deutschland

Allein der Gedanke daran, dass man eines Tages sterben muss, sorgt bei vielen Menschen für Unbehagen. Die Angst vor dem Ungewissen und die Tabuisierung des Todes sorgen für eine enorme Unsicherheit, die mitunter lähmend wirken kann. In Anbetracht dessen ist es nicht verwunderlich, dass viele Menschen die bewusste Auseinandersetzung mit den Themen Tod und Sterben vermeiden und diese mehr oder weniger aus ihrem Leben verdrängen. Sinnvoll ist ein solches Verhalten natürlich in keinster Weise, denn auch eine Verdrängung ändert nichts daran, dass der Tod zum Leben gehört und diesem früher oder später ein Ende bereitet. Wer dies akzeptiert und vor diesem heiklen Thema nicht zurückschreckt, hat die Chance, Ängste abzubauen und so das Leben stärker zu genießen. Weiterhin verschafft man sich so die Möglichkeit, für den eigenen Tod vorzusorgen und sich mit der Erbfolgeordnung zu beschäftigen. Auf diese Art und Weise kann man zu Lebzeiten sein Erbrecht nutzen und beispielsweise eine individuelle Erbfolge definieren. Zunächst sollte man sich allerdings mit den Grundlagen des deutschen Erbrechts befassen, um seine Möglichkeiten erfassen und dementsprechend handeln zu können.

Das deutsche Erbrecht ist im Bürgerlichen Gesetzbuch verankert und wird im Fünften Buch des BGB ausführlich behandelt. Die juristische Basis hierfür findet sich allerdings im Grundgesetz. In Art. 14 GG wird das Erbrecht gewährleistet und grundrechtlich abgesichert. In Bezug auf die konkrete Ausprägung des Erbrechts verweist das Grundgesetz auf die betreffenden Gesetze. Wenn es unter anderem um die Erbfolgeregelung geht, ist das Fünfte Buch des Bürgerlichen Gesetzbuches in der Bundesrepublik Deutschland das Maß aller Dinge. Wer die Aufteilung seines Nachlasses regeln möchte, sollte sich demzufolge mit dem Fünften Buch des BGBs vertraut machen.

Die gesetzliche Erbfolge und das Ehegattenerbrecht in der deutschen Gesetzgebung

Im BGB Erbrecht und zwar den §§ 1924 ff. BGB widmet sich das bürgerliche Gesetzbuch intensiv der gesetzlichen Erbfolge. Diese tritt immer dann in Kraft, wenn der verstorbene Erblasser keine gewillkürte Erbfolge definiert hat. In Anbetracht der Tatsache, dass viele Menschen Hemmungen haben, sich mit ihrer Nachlassregelung zu befassen, ist es nicht verwunderlich, dass in einem Großteil aller Erbfälle kein Testament vorliegt. Ist dies der Fall, kommt die gesetzliche Erbfolge zum Einsatz. Natürlich kann man auch ganz bewusst auf diese Variante setzen, sollte dann aber die Details der Rangordnungen beim Erben kennen. Nur wer um die gesetzliche Erbfolgeordnung weiß, kann schließlich entscheiden, ob diese den persönlichen Vorstellungen entspricht.

Zunächst gilt es zu beachten, dass die gesetzliche Erbfolge auf dem Verwandtenerbrecht beruft und demnach ausschließlich Verwandte des Erblassers zur Erbfolge beruft. Hierbei werden natürlich nicht alle Verwandten gleichzeitig erbberechtigt, denn das Ordnungssystem, das im Bürgerlichen Gesetzbuch verankert ist, sorgt für eine genau strukturierte Rangfolge. Dem Ordnungsprinzip entsprechend schließt ein Verwandter einer vorhergehenden Ordnung alle nachfolgenden Ordnungen der gesetzlichen Erbfolge von der Erbfolgeordnung aus. In der Praxis bedeutet dies, dass beispielsweise ein Erbe dritter Ordnung nur dann zur gesetzlichen Erbfolge berufen wird, wenn keine Erben erster Ordnung und falls diese nicht vorhanden sind, die Nachfolger 2. Ordnung nicht mehr existieren. Innerhalb der einzelnen Ordnungen besteht zudem ebenfalls eine strenge Rangfolge, denn durch das Repräsentationsprinzip werden Verwandte von der Erbfolge ausgeschlossen, die über einen lebenden Verwandten des Erblassers mit diesem verwandt waren. Demzufolge können beispielswiese Enkelkinder nur dann von Gesetzes wegen erben, wenn der Elternteil, über den sie mit dem Verstorbenen verwandt waren, zum Zeitpunkt des Erbfalls bereits vorverstorben ist.

Die gesetzliche Familienerbfolge ist für die meisten Erbfälle in der Bundesrepublik Deutschland von größter Bedeutung und basiert auf strengen Prinzipien, so dass ausschließlich die nächsten Verwandten des verstorbenen Erblassers von Gesetzes wegen an dessen Nachlass beteiligt werden. Gemäß § 1924 BGB bilden die Abkömmlinge des Erblassers, also dessen Kinder und Kindeskinder, die erste Ordnung. Die zweite Ordnung berücksichtigt § 1925 BGB entsprechend die Eltern des Verstorbenen sowie deren Abkömmlinge. Die dritte Ordnung der gesetzlichen Erbfolge ist in § 1926 BGB verankert und ist den Großeltern und deren Abkömmlingen vorbehalten. Die Urgroßeltern und deren Abkömmlinge werden in der vierten Ordnung geführt, wie aus § 1928 BGB hervorgeht.

In der Bundesrepublik Deutschland erben allerdings nicht nur die nächsten Verwandten des Erblassers von Gesetzes wegen. Das Ehegattenerbrecht spricht dem überlebenden Ehegatten des Verstorbenen ebenfalls ein gesetzliches Erbrecht zu. Maßgebend hierfür ist § 1931 BGB. Die Höhe des gesetzlichen Erbes des Ehegatten ergibt sich aus der Existenz anderer gesetzlicher Erben. So hat der Ehegatte neben den Erben erster Ordnung einen Anspruch auf ein Viertel des Nachlasses. Neben den Erben zweiter Ordnung steht dem Ehegatten dahingegen sogar die Hälfte des Nachlassvermögens zu. Nähere Auskunft über das Ehegattenerbrecht gibt § 1931 BGB.

Hinsichtlich des Erbrechts sind eingetragene Lebenspartner Ehegatten gleichgestellt, wie § 10 LPartG zeigt. Folglich gilt das Ehegattenerbrecht auch für eingetragene Lebenspartner, die basierend auf dem Lebenspartnerschaftsgesetz ein gesetzliches Erbrecht haben und somit über einen juristischen Anspruch auf den Nachlass des verstorbenen Erblassers verfügen, mit dem sie eine eingetragene Lebenspartnerschaft geführt haben.

Eine gewillkürte Erbfolge definieren

Als künftiger Erblasser muss man in Deutschland nicht zwingend die gesetzliche Erbfolge für den eigenen Nachlass akzeptieren, schließlich kann man eine gewillkürte Erbfolge definieren und so auf eine individuelle Erbfolgeregelung setzen. Um dies zu verwirklichen, muss man natürlich einiges beachten und sollte das Fünfte Buch des Bürgerlichen Gesetzbuches ausführlich studieren, damit die letztwillige Verfügung auch rechtskräftig ist und im Erbfall Anwendung findet. Im Rahmen der Testamentserrichtung kann es überaus sinnvoll sein, einen Anwalt hinzuzuziehen, schließlich ist dieser studierter Jurist und mit dem Erbrecht vertraut.

Indem man eine gewillkürte Erbfolge definiert, kann man von der gesetzlichen Erbfolge abweichen und eine persönliche Erbfolgeregelung festlegen. § 1937 BGB liefert die entsprechende juristische Basis, denn hierin legt der deutsche Gesetzgeber fest, dass eine Erbeinsetzung durch eine letztwillige Verfügung möglich ist und Vorrang vor der gesetzlichen Erbfolge hat. Natürlich muss man zugunsten einer gewillkürten Erbfolge eine letztwillige Verfügung errichten, die den rechtlichen Anforderungen entspricht. Das Testament ist der Klassiker im Bereich der Verfügungen von Todes wegen und wird in mehreren Varianten vom Gesetzgeber anerkannt. Die wohl bekannteste und gebräuchlichste Form ist das eigenhändige Testament. Dieses kann von dem Erblasser allein errichtet werden und muss komplett von diesem handschriftlich verfasst sein. Die eigenhändige Unterschrift des Testators sowie Angaben zum Ort und Zeitpunkt der Testamentserrichtung dürfen ebenfalls nicht fehlen.

Das öffentliche Testament ist eine Alternative zum eigenhändigen Testament und bedarf stets der notariellen Beurkundung. Der Notar klärt den Testator über die Formalitäten der Testamentserrichtung auf und berät diesen im Bereich des Erbrechts. Insbesondere wenn Fragen bezüglich der Erbfolgeregelung bestehen, kann sich ein öffentliches Testament somit als gute Wahl erweisen. Ob eine solche Verfügung von Todes wegen handschriftlich oder maschinegeschrieben übergeben wird oder der Erblasser seinen letzten Willen mündlich zur Niederschrift durch den Notar zum Ausdruck bringt, spielt gemäß § 2232 BGB keine Rolle. Die Unterschrift des Testators ist aber auch hierbei unerlässlich.

Abgesehen vom Testament existiert im deutschen Erbrecht auch der Erbvertrag als letztwillige Verfügung und ermöglicht so eine individuelle Erbfolgeregelung. Im Gegensatz zu einem Testament ist ein Erbvertrag keine einseitige Willenserklärung des Testators, sondern ein Vertrag zwischen dem künftigen Erblasser und dessen Erben. Folglich verfügt ein Erbvertrag, der notariell beurkundet werden muss, eine gewisse sogenannte wechselbezügliche Bindungswirkung, ähnlich dem eines Berliner Testaments.

Möglichkeiten zur Festlegung einer individuellen Erbfolgeregelung, die nicht der gesetzlichen Erbfolge entspricht, gibt es in der deutschen Gesetzgebung also ohne Weiteres. Künftige Erblasser dürfen hierbei aber nicht das Pflichtteilsrecht außer Acht lassen, dass den in § 2303 BGB und gegebenenfalls § 10 LPartG definierten pflichtteilsberechtigten Personen eine Mindestbeteiligung am Erbe zuspricht, unabhängig von der gewillkürten Erbfolge des Testators.

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