Internationales Erbrecht: Lettland
Im baltischen Lettland hängt die Zuständigkeit für erbrechtliche Angelegenheiten in erster Linie davon ab, wo sich der Nachlass befindet. Demnach findet das lettische Erbrecht immer dann Anwendung, wenn sich das bewegliche und unbewegliche Nachlassvermögen des verstorbenen Erblassers in Lettland befindet. Durch diesen Grundsatz, von dem keinerlei Abweichungen existieren, spielt die Staatsangehörigkeit des Erblassers im Zuge des Nachlassverfahrens keine Rolle.
Eine wesentliche Besonderheit des Erbrechts in Lettland ist die Tatsache, dass der Nachlass nicht automatisch auf die Erben über geht. Stattdessen ruht der Nachlass zunächst und wird vom lettischen Gesetzgeber als juristische Person betrachtet. Die Vertretung des Nachlasses übernimmt in Lettland stets ein amtlich anerkannter Nachlasspfleger. Will ein Erbe den ihm zustehenden Teil am Nachlass in Besitz nehmen, muss er sich demnach an den Nachlasspfleger wenden. Zuvor muss der betreffende Erbe jedoch eine Annahmeerklärung abgeben, weil die Erbschaft ansonsten als nicht angenommen gilt. Ab dem Zeitpunkt, zu dem der Erbe vom Anfall der Erbschaft erfahren hat, läuft eine einjährige Frist. Diese ist in Lettland juristisch verankert und soll allen Beteiligten ausreichend Zeit geben, die Erbschaft anzunehmen oder eine Erbausschlagung zu erklären.
Gemäß dem geltenden Erbrecht von Lettland erben die Erben nicht nur die Vermögenswerte des verstorbenen Erblassers, sondern haften ebenfalls für dessen Verbindlichkeiten. Erben haben aber die Möglichkeit, eine Haftungsbeschränkung zu erreichen, indem sie die Erbschaft unter Vorbehalt annehmen. Hierzu sind die Errichtung eines Nachlassinventars, sowie eine entsprechende Erklärung, die einem Notar oder dem zuständigen Gericht gegenüber abgegeben werden muss, erforderlich.
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Testament in Lettland
Wie in praktisch sämtlichen Ländern der Welt existieren auch in Lettland einige Formvorschriften für die Errichtung eines Testaments, die es unbedingt einzuhalten gilt. Grundsätzlich kennt das lettische Erbrecht vier Varianten des ordnungsgemäßen Testaments, wobei für jede Variante eigene Vorschriften bezüglich der Form gelten.
Das eigenhändige Testament stellt die gängigste Testamentsform in Lettland dar und muss vom Testierenden komplett handschriftlich verfasst werden. Zudem ist die Unterschrift des Testators für die Rechtskräftigkeit des Testaments ebenfalls unbedingt erforderlich. Alternativ darf ein hand- oder auch maschinegeschriebenes Testament im Beisein von zwei Zeugen errichtet werden.
Wer ein Testament errichtet hat, hat in Lettland zudem die Möglichkeit, dieses bei einem Notar zu hinterlegen. Darüber hinaus kann man ebenfalls ein notarielles Testament errichten, indem man seinen letzten Willen einem Notar gegenüber öffentlich beurkundet. Hierbei gilt es jedoch zu beachten, dass in Lettland kein Testamentsregister existiert und somit keine Möglichkeit zur Eintragung eines Testaments besteht.
Hinsichtlich der Testierfreiheit unterscheidet sich das lettische Erbrecht grundsätzlich nicht allzu sehr von der Gesetzgebung anderer Länder. Im Allgemeinen besteht eine Testierfreiheit, die es dem Testierenden gestattet, seinen Nachlass frei zu verteilen. Werden aber die nächsten Verwandten des Erblassers nicht in dessen Testament berücksichtigt, findet auch in Lettland eine gewisse Einschränkung der Testierfreiheit statt. So bilden der überlebende Ehegatte, sowie die Abkömmlinge des verstorbenen Erblassers in Lettland den pflichtteilsberechtigten Personenkreis. Sofern der Erblasser kinderlos war und demnach keine Abkömmlinge hinterlassen hat, können auch die Eltern des Verstorbenen Pflichtteilsansprüche geltend machen. Den Geschwistern und Großeltern steht dahingegen kein Pflichtteil zu.
Das lettische Pflichtteilsrecht ist folglich eine massive Einschränkung der Testierfreiheit, die künftige Erblasser am besten bereits bei der Errichtung eines Testaments bedenken sollten. Im Erbrecht Lettlands besteht jedoch die Möglichkeit, den Pflichtteil auszuschließen. Hierzu können künftige Pflichterben im Vorfeld eine entsprechende vertragliche Vereinbarung mit dem künftigen Erblasser treffen und im Zuge dessen einen Pflichtteilsverzicht erklären.
Gesetzliche Erbfolge in Lettland
In Lettland ist die Errichtung eines Testaments zwar ein wesentlicher Bestandteil des nationalen Erbrechts, aber keineswegs verpflichtend. So steht es den Bürgern in Lettland frei, ob sie eine Verfügung von Todes wegen verfassen und auf diese Art und Weise für den Fall der Fälle vorsorgen oder nicht. Existiert kein Testament, greift die gesetzliche Erbfolge, die im lettischen Erbrecht ebenfalls juristisch verankert ist. Hieraus ergibt sich, welche Personen am Nachlass beteiligt werden, wenn der Erblasser keine entsprechenden Anweisungen hinterlassen hat.
War der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes verheiratet und hinterlässt gleichzeitig Kinder, erben diese gemeinsam mit dem überlebenden Ehegatten. Wie hoch der Erbteil des Ehepartners ausfällt, hängt vom ehelichen Güterstand ab, sodass diesbezüglich keine allgemein gültigen Aussagen getroffen werden können. Falls die Ehegatten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt haben, steht dem überlebenden Ehegatten der gesetzlichen Erbfolge von Lettland entsprechend die Hälfte des gemeinsamen Vermögens zu. Lediglich die andere Hälfte des Vermögens wird so zum Nachlass, wovon dem Ehegatten wiederum ein Teil zusteht. Grundsätzlich wird der Nachlass zu gleichen Teilen unter den Kindern und dem überlebenden Ehegatten aufgeteilt.
Bei einem kinderlosen Erblasser wird dahingegen der überlebende Ehegatte zum Alleinerben und erbt demnach den gesamten Nachlass. Dies ist jedoch nur dann der Fall, wenn auch keine Verwandten in absteigender oder aufsteigender Linie, Nichten und Neffen oder Geschwister, vorhanden sind. Im Falle eines unverheirateten Erblassers wird der Nachlass zu gleichen Teilen unter den Kindern des Verstorbenen aufgeteilt. Falls der Erblasser weder Kinder, noch einen Ehegatten hinterlassen hat, werden in Lettland die Geschwister, sowie Verwandten in aufsteigender Linie zur gesetzlichen Erbfolge berufen.
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Erbschaftssteuer in Lettland
Der Gesetzgeber in Lettland kennt keine Erbschaftssteuer, aber dies bedeutet keineswegs, dass Erbschaften in dem baltischen Staat steuerfrei sind und Erben hier somit keiner Steuerpflicht unterliegen. Stattdessen werden Erbschaften im Rahmen des lettischen Steuerrechts als Eigentumsübertragungen definiert und als solche steuerlich gesondert berücksichtigt. Für die Höhe der zu zahlenden Erbschaftssteuer ist in Lettland nicht nur die Höhe der Erbschaft ausschlaggebend, sondern auch der Verwandtschaftsgrad zwischen dem Erben und dem Verstorbenen. Außerdem spielt es hierbei eine Rolle, ob ein Testament vorhanden ist oder die gesetzliche Erbfolge Anwendung findet.