Pflichtteil

Der Pflichtteil ist grundsätzlich ein Geldanspruch, der sich gegen den Erben richtet. Er ist im Erbfall nach der Feststellung einer Enterbung von Pflichtteilsberechtigten sofort fällig. Aus diesem Grund ist es möglich, dass die Erbengemeinschaft oder der Alleinerbe kurzfristig Zahlungsansprüche von Pflichtteilsberechtigten erfüllen muss. Es wäre auch durchaus denkbar, dass dieser Anspruch durch die vorhandenen Barmittel im Nachlass nicht gedeckt werden können. Das ist in der Regel so, wenn nur Immobilienwerte und kein Barvermögen verfügbar sind. Die Erben müssten zur Befriedigung von Pflichtteilsansprüchen entweder einen privaten Kredit aufnehmen. Dies könnte unter Umständen mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden sein. Die zweite Alternative wäre, die Immobilie zu verkaufen, was unter Zeitdruck nicht attraktiv ist, da ein guter Verkauf mehr Zeit in Anspruch nimmt. Gesetzt der Fall, die vererbte Immobilie war das Heim des Erben, dann ist er berechtigt eine Stundung vom Pflichtteilsanwärter zu verlangen. Stundung, das bedeutet nicht die Aufhebung, sondern lediglich die Aufschiebung der raschen Zahlungspflicht.

Pflichtteil – an wen muss man die Ansprüche richten?

Der Pflichtteilsanspruch ist niemals ein Anspruch auf bestimmte Sachleistungen. Der Anspruch einer Geldzahlung muss gegen den eingesetzten Erben gerichtet werden. Erben sind bei nur wenigen gesetzlichen Ausnahmen nicht zur Erfüllung verpflichtet.

Zusätzlich hat der Gesetzgeber auch noch Pflichtteilsergänzungsansprüche nach lebzeitigen Schenkungen des Erblassers vorgesehen. Wenn der zum Pflichtteil Berechtigte im Erbfall erfährt, dass nur noch ein unzureichender Nachlass verfügbar ist sollte er nachprüfen, ob innerhalb des Zeitraumes der letzten zehn Jahre vor dem Ableben des Erblassers eventuell Schenkungen an Dritte getätigt wurden. Wenn dies der Fall ist, werden solche Schenkungen im Wert dem Nachlass hinzugerechnet. Der Nachlass wird so berechnet, als ob der geschenkte Wert noch greifbar wäre. Diese Hinzurechnung von Schenkungen nennt der Gesetzgeber Ergänzungsansprüche zum Pflichtteil und sie stehen dem Berechtigten zu. Sollte der Erbfall nach 5 Jahren eintreten, wird diese vergangene Zeit anteilig angerechnet. Liegt eine Schenkung allerdings einen längen Zeitraum als zehn Jahre zurück muss die Schenkung bei der Hinzurechnung der Pflichtteilsansprüche nicht mehr berücksichtigt werden. Der Fristbeginn bei Schenkungen an den eigenen Ehegatten (§ 2325 BGB) wird erst durch den Tod des Erblassers ausgelöst.

Pflichtteile müssen manchmal auch angerechnet oder ausgeglichen werden

Pflichtteilsberechtigte müssen sich vor der Auszahlung auf den Pflichtteil alles anrechnen zu lassen, was sie vom Erblasser als Schenkungen bekommen haben. Das ist jedoch nur dann der Fall, wenn der Erblasser dies aus Gerechtigkeitsgründen bei der Zuwendung so gewollt hat (§ 2315 BGB). Durch eine Anrechnung fühlt sich niemand benachteiligt und mehrere Kinder in der Familie sind somit auch erbrechtlich gleichgestellt.

Veranschaulichendes Beispiel: der Erblasser schenkt einem Kind zum Hausbau oder dem Start in die Selbständigkeit 40.000 €.

Tipp: Wenn Sie die Anrechnung wünschen, überweisen Sie den genannten Betrag, den sie auch an diesen Zweck binden können, mit dem Hinweis:

„Die Schenkung erfolgt unter Anrechnung auf das Erb- oder den Pflichtteil.“

 

Der Pflichtteilsberechtigte hat ein umfassendes Auskunftsrecht. Um die Höhe der Ansprüche aus dem Pflichtteil berechnen zu können, muss der/die Erben sämtliche Fragen (§ 2314 BGB) zum Nachlass wahrheitsgetreu beantworten. Pflichtteilsberechtigt ist man schließlich nur als Enterbter naher Angehöriger, weil viele in diesem Fall keinen oder nur einen geringen Kontakt zu dem Verstorbenen hatten benötigen sie die Auskünfte. Erst hierdurch werden sie in die Lage versetzt, die genaue Anspruchshöhe zu errechnen. Der Auskunftsanspruch beinhaltet nicht nur den Nachlasswert als solches, sondern auch weitere eventuell den Nachlass schädigende Schenkungen. Berechtigte können vom Erben ein lückenloses Nachlassverzeichnis das auch die Nachlassverbindlichkeiten beinhaltet verlangen. Sollten hier Ungereimtheiten sein oder der Verdacht der Unredlichkeit kann auch ein notarielles Nachlassverzeichnis eingefordert werden.

Pflichtteil – die Verjährung des Anspruchs

Die Verjährungsfrist, in der das Recht eingefordert werden kann, dauert drei Jahre. Die Frist beginnt zu laufen wenn man Kenntnis vom Ableben des Erblassers und damit vom Erbfall hat. Bei der Testamentseröffnung erfährt ein Erbteilberechtigter in der Regel von der beeinträchtigenden Verfügung. Sobald man Kenntnis erlangt hat dass man enterbt wurde, sollte man reagieren, denn man kann den Pflichtteilsanspruch bei Fristablauf auch verlieren. Der Berechtigte muss diesen Anspruch beizeiten beim Erben fordern denn hingewiesen wird man nicht auf diese Pflichtteilsansprüche.

Der Pflichtanteil ist vom Gesetzgeber als „Mindest Erbrecht“ am Nachlass naher Angehöriger gewollt. Das Entziehen des gesetzlichen Pflichtteils muss in Form des Testaments oder Erbvertrages erfolgen. Die Entziehung des Pflichtteils im Testament gegenüber Kindern (§ 2333 BGB) und Ehegatten (§ 2335 BGB) ist nur in ganz wenigen Ausnahmefällen überhaupt möglich. Hierfür werden nur schwerwiegende Verfehlungen, wie Tätlichkeiten, körperliche Misshandlung gegenüber dem Erblasser und seinen engsten Familienmitgliedern begangen genannt.

Häufige Fragen zum Pflichtteil

Der Pflichtteil wirft immer wieder Fragen auf, was nicht zuletzt daran liegt, dass er der allgemeinen Testierfreiheit vollkommen widerspricht. Auch entgegen des Willens des Erblassers wird dem Pflichtteilsberechtigten ein Anteil am Nachlass zugesprochen. Dass dies zuweilen mit Schwierigkeiten verbunden sein kann, dürfte nicht allzu verwunderlich sein. Aus diesem Grund sollten künftige Erblasser, Erben und auch etwaige Pflichtteilsberechtigte mit den Grundzügen des Pflichtteilsrecht vertraut sein. Rechtlicher Beistand durch einen Anwalt ist zwar dringend anzuraten, aber es schadet auch nicht, eigenständig zu recherchieren. Auf die dabei häufigsten Fragen finden sich nachfolgend Antworten, die eine auf den Einzelfall abgestimmte Rechtsberatung aber selbstverständlich in keiner Weise ersetzen können.

Wie hoch ist der Pflichtteil?

Vor allem die Höhe des Pflichtteils beschäftigt alle Betroffenen immer wieder aufs Neue. Wie hoch der Pflichtteil konkret ausfällt, lässt sich ohne Kenntnis aller relevanten Eckpunkte des betreffenden Erbfalls zwar nicht sagen, doch es steht fest, dass sich dieser stets auf die Hälfte des gesetzlichen Erbteils beläuft. Dies geht eindeutig aus § 2303 Absatz 1 Satz 2 BGB hervor. Zur Berechnung des Pflichtteils muss man folglich zwingend den gesetzlichen Erbteil kennen, der sich wiederum aus dem Nachlasswert sowie dem Verhältnis zwischen Erblasser und Erbe ergibt.

Wann muss der Erbe den Pflichtteil auszahlen?

Der Anspruch auf den Pflichtteil entsteht unmittelbar mit dem Anfall der Erbschaft. Insbesondere in schwierigen Fällen mit Enterbung einzelner Erben kann die Erbauseinandersetzung zuweilen komplex sein und eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen, um die Verhältnisse zu klären. Obgleich der Pflichtteil zumindest rein theoretisch sofort fällig ist, kann es bis zur Auszahlung durch den Erben durchaus noch etwas dauern. Zunächst muss einerseits geklärt werden, ob überhaupt ein Pflichtteilsanspruch besteht und wenn ja, in welcher Höhe. Gegebenenfalls kann der Pflichtteilsberechtigte dem Erben beziehungsweise der Erbengemeinschaft eine Frist setzen. Wird dann nicht gezahlt, geraten die Erben in Verzug.

Wie kann man den Pflichtteil geltend machen?

Hinterbliebene, die eigentlich zum Kreis der gesetzlichen Erben gehören, jedoch testamentarisch enterbt wurden, erleben den Erbfall besonders schwierig. Wer nicht auf sein Pflichtteilsrecht verzichten will, sollte wissen, wie er seinen Anspruch geltend macht. Zunächst gilt es, den gesetzlichen Auskunftsanspruch zu nutzen, so dass die Erben den Pflichtteilsberechtigten über den Nachlass Auskunft geben müssen. Dann richtet sich der Pflichtteilsberechtigte mit einem Anspruchsschreiben an die Erben und verlangt damit seinen Pflichtteil. Für den Fall, dass die Erben nicht kooperieren, steht eine sogenannte Stufenklage an. Diese muss allerdings innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist eingereicht werden, denn ein bloßes Anspruchsschreiben hat auf die Verjährung des Pflichtteilsanspruchs keinen Einfluss.

Kann man den Pflichtteil zu Lebzeiten des Erblassers geltend machen?

Der Gedanke, den Pflichtteil zu Lebzeiten des Erblassers geltend machen zu wollen, erscheint zunächst makaber und unangemessen. Bei näherer Betrachtung kann es aber für alle Beteiligten interessant sein, etwaige Pflichtteilsansprüche frühzeitig auszuschließen. Der Erblasser und auch die Erben sowie der Pflichtteilsberechtigte können so von klaren Verhältnissen profitieren und einem späteren Rechtsstreit ums Erbe entgegenwirken. Zu diesem Zweck können der Erblasser und der Pflichtteilsberechtigte notariell einen Verzicht auf den Pflichtteil gegen eine Abfindung vereinbaren.

Die Pflichtteils- und Anspruchsberechtigung

In Zusammenhang mit dem deutschen Pflichtteilsrecht kommt zuweilen die Frage nach der Pflichtteils- und Anspruchsberechtigung auf. Zunächst ist festzuhalten, dass sich eine Pflichtteilsberechtigung aus der Zugehörigkeit zum pflichtteilsberechtigten Personenkreis ergibt. Gemäß § 2303 BGB bilden die Kinder sowie der Ehegatte beziehungsweise eingetragene Lebenspartner den pflichtteilsberechtigten Personenkreis. § 2309 BGB entsprechend können zudem auch entferntere Abkömmlinge, wie zum Beispiel die Enkel oder Urenkel, sowie die Eltern des Verstorbenen pflichtteilsberechtigt sein.

Ausschlaggebend dafür, wer seine grundsätzliche Pflichtteilsberechtigung auch tatsächlich in einen konkreten Anspruch umwandeln kann, ist die Anspruchsberechtigung in Zusammenhang mit dem Pflichtteil. Der Ehegatte beziehungsweise eingetragene Lebenspartner sowie die Kinder des Erblassers sind stets anspruchsberechtigt. Andere Pflichterben verfügen lediglich über eine eingeschränkte Anspruchsberechtigung und können etwaige Pflichtteilsansprüche nur geltend machen, wenn sie an die Stelle vorverstorbener Erben aus vorhergehenden Ordnungen treten.

Wie hoch ist der Pflichtteil bei zwei oder mehr Kindern?

Hinterlässt der verstorbene Erblasser zwei Kinder oder mehr, erscheint die Situation in Zusammenhang mit dem Pflichtteilsrecht besonders kompliziert. Juristische Laien tun sich häufig schwer, zu erfassen, wie hoch der Pflichtteil dann ausfällt. Grundsätzlich ist erst einmal festzuhalten, dass der Pflichtteil die Hälfte des gesetzlichen Erbteils ausmacht. Pflichterben haben somit Anspruch auf 50 Prozent dessen, was ihnen ohne testamentarische Enterbung zugestanden hätte. Ausschlaggebend ist dementsprechend zunächst der in der gesetzlichen Erbfolge definierte Erbanspruch der Abkömmlinge. Die Kinder des Erblassers werden gemäß § 1924 BGB als Erben erster Ordnung betrachtet. Diese haben Vorrang vor Erben nachfolgender Ordnungen und schließen diese grundsätzlich aus, so dass der Nachlass unter den Kindern aufgeteilt wird. Ausnahmen bestätigen allerdings diese Regel, denn ist ein Kind zum Zeitpunkt des Erbfalles bereits vorverstorben, können dessen Kinder zur gesetzlichen Erbfolge berufen werden.

Ebenfalls zu berücksichtigen ist das Ehegattenerbrecht, das ebenfalls Teil der gesetzlichen Erbfolge ist. Hinterlässt der Erblasser Kinder sowie einen Ehegatten, hat der Ehepartner neben den Erben erster Ordnung einen gesetzlichen Anspruch auf ein Viertel des Nachlasses. Dies geht aus § 1931 Absatz 1 BGB hervor. Für den Pflichtteilsanspruch der Kinder bedeutet dies, dass die unter ihnen zu verteilende Erbmasse durch den Ehegatten des verstorbenen Elternteils um ein Viertel sinkt. Die Zahl der Kinder des Erblassers gibt dann Auskunft darüber, in welchem Maße Pflichterben am Nachlass beteiligt werden.

Bei beispielsweise zwei Kindern haben beide grundsätzlich Anspruch auf die Hälfte des Nachlasses. Hat der Erblasser nun ein Kind testamentarisch enterbt, war es sein Wille, dass das andere Kind zu 100 Prozent erbt. Das Pflichtteilsrecht verhindert dies allerdings, denn indem das enterbte Kind seinen Pflichtteilsanspruch geltend macht, sichert es sich zumindest die Hälfte des eigentlichen Erbteils. Bei zwei Kindern bedeutet dies, dass der Pflichtteil ein Viertel ausmacht, während das andere Kind drei Viertel erhält. Hatte der Erblasser dahingegen drei Kinder, steht jedem Kind erst einmal ein Drittel zu. Im Falle einer Enterbung kann das pflichtteilsberechtigte Kind immerhin ein Sechstel für sich beanspruchen.

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