Internationales Erbrecht: Norwegen
Wie jedes Land verfügt auch Norwegen über eine eigene Rechtssprechung, die einige, mitunter erhebliche, Unterschiede zum deutschen BGB Erbrecht aufweist. Dies zeigt sich unter anderem im Zusammenhang mit erbrechtlichen Angelegenheiten, denn trotz einiger Gemeinsamkeiten, existieren auch zahlreiche Differenzen. Das norwegische Erbrecht definiert, wer erbt, wenn kein Testament existiert. Aber auch für den Fall, dass der Erblasser vorgesorgt und ein Testament errichtet hat, gelten in Norwegen strenge Regeln.
Wer sich aus beruflichen oder privaten Gründen mit dem norwegischen Erbrecht auseinandersetzen muss, sollte sich zuerst mit den Begrifflichkeiten befassen. So wird der Nachlass in Norwegen beispielsweise als Erbmasse (Bo) bezeichnet, während der Ausdruck Skifte mit Teilung übersetzt werden kann und die Erbauseinandersetzung meint. Nachdem die sprachlichen Besonderheiten bekannt sind, kann man sich schließlich mit den einzelnen Regeln und Vorschriften des Erbrechts in Norwegen befassen.
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Nachlassabwicklung in Norwegen
Die Abwicklung des Nachlasses erfolgt in Norwegen selbstverständlich nach dem nationalen Erbrecht und unterliegt strengen Regeln, die sich teilweise maßgeblich vom deutschen Erbrecht unterscheiden. Hieraus ergeben sich natürlich mitunter große Differenzen im Bezug auf den Ablauf der Nachlassabwicklung.
In erster Linie unterscheidet man im norwegischen Erbrecht zwischen der privaten und der öffentlichen Nachlassabwicklung. Die private Nachlassabwicklung ist in Norwegen der Regelfall und findet daher in den meisten Fällen Anwendung. Unabhängig davon, wie der Nachlass abgewickelt wird, muss erst einmal eine Todesanzeige an das zuständige Nachlassgericht übermittelt werden. Der Ehegatte, nahe Verwandte oder andere Personen, die zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers zugegen waren, sind juristisch dazu verpflichtet, den Tod zu melden. Dies kann entweder bei der zuständigen Polizeibehörde oder direkt beim Gericht erfolgen. Eine solche Meldung ist zwingende Voraussetzung für die Beerdigung des Verstorbenen, denn nur wenn der betreffende Todesfall behördlich registriert wurde und eine entsprechende Bestätigung vorliegt, darf die Beisetzung stattfinden.
Im Idealfall gibt die Todesanzeige beim Nachlassgericht nicht nur Auskunft darüber, dass die betreffende Person verstorben ist, sondern enthält zudem Informationen bezüglich der Verwandtschafts- und Vermögensverhältnisse des Erblassers. Auf diese Art und Weise kann die Abwicklung des Nachlasses ohne Verzögerung erfolgen. Wer seiner Meldepflicht im Bezug auf den Todesfall nicht nachkommt und das zuständige Gericht nicht informiert, verzögert nicht nur die Bestattung und Nachlassabwicklung, sondern macht sich nach norwegischem Recht strafbar.
Private Nachlassabwicklung in Norwegen
Im Rahmen einer privaten Teilung muss mindestens ein Erbberechtigter dem zuständigen Nachlassgericht gegenüber erklären, dass er sich um sämtliche Pflichten des verstorbenen Erblassers kümmert. Dieser Erbberechtigte muss uneingeschränkt geschäftsfähig sein. Eine derartige Erklärung muss innerhalb von 60 Tagen nach dem Erbfall erfolgen. Derjenige, der die Erklärung dem Gericht gegenüber abgegeben hat, erhält einen Erbschein, der in Norwegen den Namen Skifteattest trägt. Mithilfe dieses Dokuments kann der betreffende Erbe auf das gesamte Vermögen des Verstorbenen zugreifen. Besondere Regelungen bezüglich der privaten Teilung existieren im norwegischen Erbrecht nicht, sodass den Erbberechtigten freie Hand gelassen wird. Die einzige Vorschrift bezieht sich auf die Erbschaftssteuer und besagt, dass spätestens sechs Monate nach dem Todesfall die Steuerbehörden informiert werden müssen. Anhand dieser Meldung, die Auskunft über die Teilung des Nachlasses gibt, wird dann die fällige Erbschaftssteuer berechnet.
Öffentliche Nachlassabwicklung in Norwegen
Alternativ zur privaten Teilung besteht in Norwegen auch die Möglichkeit, den Nachlass öffentlich abzuwickeln. Juristische Grundlage hierfür ist das Teilungsgesetz (Skifteloven). Gemäß § 60 Skifteloven kann jede erbberechtigte Person eine öffentliche Nachlassabwicklung verlangen. Dieses Recht steht auch Gläubigern und Personen zu, denen ein Erbteil übertragen wurde. Selbst wenn eine private Nachlassteilung noch im vollen Gange ist, kann die öffentliche Teilung verlangt werden.
Grund für eine öffentliche Nachlassabwicklung sind oftmals Streitigkeiten unter den Erben. Falls sich diese im Bezug auf die Teilung des Nachlasses nicht einigen können, kommt so das zuständige Nachlassgericht ins Spiel und übernimmt die Rolle des Vermittlers. In den meisten Fällen findet vorab eine vorbereitende Verhandlung statt. Das Nachlassgericht lädt hierzu alle erbberechtigten Personen und hält eine Art Güteverhandlung ab, in deren Rahmen oftmals bereits eine für alle Beteiligten akzeptable Lösung gefunden werden kann.
Für den Fall, dass in der vorbereitenden Verhandlung keine Verteilung erzielt werden konnte, sieht das norwegische Erbrecht eine öffentliche Teilung vor. Ein Nachlassverwalter wird dann mit dem Fall betraut und begleicht in einem ersten Schritt alle Verbindlichkeiten des Erblassers. Daraufhin wird ein Verteilungsplan entwickelt, dem die Erbberechtigten innerhalb von sechs Wochen widersprechen können. Geschieht dies nicht, gilt der Plan als akzeptiert und die Nachlassabwicklung wird dementsprechend durchgeführt.
Gesetzliche Erbfolge in Norwegen
Dem Erbrecht von Norwegen zufolge besteht die Möglichkeit, ein Testament zu errichten, doch dies ist keineswegs ein Zwang. Ähnlich wie in Deutschland existiert auch in Norwegen bei den meisten Erbfällen keine Verfügung von Todes wegen, sodass hier die gesetzliche Erbfolge Anwendung findet. Falls kein Testament existiert, erben daher der Ehegatte, sowie die Abkömmlinge des verstorbenen Erblassers. In einigen Fällen werden auch die Eltern, Geschwister und entferntere Verwandte an der Erbschaft beteiligt.
Die gesetzliche Erbfolge im norwegischen Erbrecht berücksichtigt in erster Linie den überlebenden Ehegatten und die Kinder des Erblassers. Sofern Kinder, Enkel oder Urenkel existieren, erhält der Ehegatte nach norwegischem Erbrecht ein Viertel des Erbes. Sind die Eltern, Geschwister oder deren Abkömmlinge die nächsten Verwandten des verstorbenen Erblassers, da keine Nachkommen existieren, erhält der Ehegatte die Hälfte des Nachlasses. Falls auch solche Angehörigen nicht existieren, wird der Ehegatte zum Alleinerben. Unabhängig davon, in welcher Höhe der überlebende Ehepartner am Erbe beteiligt wird, kann dieser oftmals unverändert weiterleben, denn im norwegischen Erbrecht besteht auch nach dem Tod eines Ehepartners für den überlebenden Gatten die Möglichkeit, die Gütergemeinschaft fortzusetzen. Im Zuge dessen findet eine Verteilung des Erbes erst nach dem Tod des überlebenden Ehegatten statt.
Die Kinder des Erblassers werden innerhalb des Erbrechts Norwegens besonders stark berücksichtigt und erben in der Regel das gesamte Vermögen des verstorbenen Erblassers, sofern dieser kein Testament hinterlassen hat. Einzige Ausnahme bildet hierbei der überlebende Ehegatte des Erblassers. War der Verstorbene zum Zeitpunkt seines Todes verheiratet, werden die Kinder zu Dreiviertel am Nachlass beteiligt, während der Ehegatte ein Viertel des Erbes erhält. Sind die Kinder des Erblassers zum Zeitpunkt dessen Todes bereits verstorben, werden die Enkel oder gar Urenkel zu Erben. Enkel und Urenkel erhalten somit das Erbe, das eigentlich ihren Eltern zugestanden hätte. Dies gilt auch für den Fall, dass ein erbberechtigtes Kind des Erblassers auf sein Erbe verzichtet.
Die Eltern, Geschwister und deren Nachkommen werden der gesetzlichen Erbfolge in Norwegen entsprechend in der Regel nicht am Erbe beteiligt, da die Kinder und anderen Abkömmlinge des verstorbenen Erblassers Vorrang haben. War der Verstorbene aber kinderlos, erben die Eltern und Geschwister neben dem Ehegatten, sofern vorhanden. Da der überlebende Ehepartner die Hälfte des Erbes erhält, werden die Eltern oder Geschwister des Erblassers ebenfalls zur Hälfte am Nachlass beteiligt.
Errichtung eines Testaments in Norwegen
Als künftiger Erblasser in Norwegen muss man die gesetzliche Erbfolge natürlich nicht hinnehmen, sondern kann stattdessen auch ein Testament verfassen. Im Norwegischen Erbrecht hat die letztwillige Verfügung selbstverständlich Vorrang vor der gesetzlichen Erbfolge. Das Erbgesetz Norwegens nennt sich Arveloven und bildet die juristische Grundlage für Testamente im norwegischen Erbrecht.
Gemäß § 49 Arveloven sollte ein Testament in schriftlicher Form vorliegen und von zwei Personen bezeugt werden. Diese werden vom Testator bestimmt und müssen bei der Errichtung des Testaments zugegen sein. Mit ihrer Unterschrift erklären die beiden Zeugen, dass sie bei der Errichtung des Testaments anwesend waren und der künftige Erblasser aus freien Stücken gehandelt hat.
Damit das betreffende Testament auch anerkannt wird, ist es dem norwegischen Erbrecht entsprechend erforderlich, das Originaltestament dem zuständigen Nachlassgericht zur Aufbewahrung zu übergeben.
Erbschaftssteuer in Norwegen
Wie in Deutschland erhebt auch der norwegische Staat Erbschaftssteuer auf sämtliche Erwerbe von Todes wegen. Schenkungen werden im norwegischen Erbschaftssteuergesetz ebenfalls berücksichtigt und unterliegen demnach der Steuerpflicht. Da es sich bei der Erbschaftssteuer in Norwegen um eine sogenannte Erbanfallsteuer handelt, wird der von Todes wegen erworbene Teil des Nachlasses eines Erben versteuert.
Die aus der Erbschaftssteuer resultierenden Einnahmen kommen in Norwegen der Gemeinde zugute, in der der verstorbene Erblasser bzw. der Schenker seinen letzten Wohnsitz hatte. Eine große Besonderheit im norwegischen Erbrecht ist die Tatsache, dass überlebende Ehegatten und registrierte Lebenspartner von der Erbschaftssteuer befreit sind und somit keinen Teil ihrer Erbschaft an den norwegischen Fiskus abtreten müssen. Im Falle einer nicht registrierten bzw. unverheirateten Partnerschaft muss der überlebende Partner demnach Erbschaftssteuer zahlen. Existieren jedoch gemeinsame Kinder mit dem Erblasser, entfällt die Steuerpflicht.
Ansonsten existieren im Bezug auf die Erbschaftssteuer in Norwegen zwei Steuerklassen. Während Kinder, Adoptivkinder, Pflegekinder und die Eltern die Steuerklasse I bilden, werden alle restlichen Personen der Steuerklasse II zugeordnet. Unabhängig von der jeweiligen Steuerklasse, wird bei einem Erbschaftswert von bis zu 470.000 Kronen keine Erbschaftssteuer fällig. In der Wertgruppe 470.000 bis 800.000 Kronen verlangt der norwegische Fiskus 6 Prozent von Angehörigen der Steuerklasse I und 8 Prozent von allen anderen Erben. Falls die Erbschaft einen Wert von mehr als 800.000 Kronen aufweist, müssen Mitglieder der Steuerklasse II 15 Prozent Erbschaftssteuer zahlen. Für die Kinder und Eltern des Erblassers liegt der Höchststeuersatz dahingegen bei 10 Prozent.
– Grundsätzliches zum internationalen Familien- und Erbrecht
– Internationales Erbrecht (alle Länder in der Übersicht)