Pflichtteil umgehen im Testament?

Viele Erblasser verspüren den Wunsch, einen ihrer Erben von der Erbfolge auszuschließen und nehmen aus diesem Grund eine testamentarische Enterbung vor. Auf diese Art und Weise kann der künftige Erblasser seinem Wunsch Ausdruck verleihen und im Rahmen seiner Verfügung von Todes wegen als letzten Willen definieren. So erfahren die Erben spätestens zur Testamentseröffnung, wer nach den Verfügungen im Testament nicht am Nachlass beteiligt werden soll und daher enterbt wurde. Eine solche Enterbung macht natürlich nur bei Personen Sinn, die gemäß der gesetzlichen Erbfolge erben würden, denn ansonsten reicht es schließlich die betreffende Person im Testament nicht zu berücksichtigen. Falls die jeweilige Person jedoch über ein gesetzliches Erbrecht verfügt, ist eine ausdrückliche Enterbung im Rahmen des Testaments erforderlich.

Künftige Erblasser, die für ihren eigenen Tod vorsorgen möchten und aus diesem Grund frühzeitig ein Testament errichten, sollten sich aber unbedingt auch mit dem Pflichtteilsrecht befassen. Im deutschen Erbrecht spielt dies eine wichtige Rolle und sichert den pflichtteilsberechtigten Erben im Falle einer Enterbung einen Mindest-Erbteil. Demnach ist es gar nicht so leicht, den Ehegatten bzw. Lebenspartner oder die eigenen Kinder von der Erbfolge auszuschließen.

Der deutsche Gesetzgeber sieht zwar einige Ausnahmen vor, sodass das Pflichtteilsrecht unter gewissen Voraussetzungen außer Kraft gesetzt wird, aber hierbei handelt es sich in der Tat um Ausnahmen, die nur in den wenigsten Fällen zutreffen. Wer einen pflichtteilsberechtigten Erben komplett von der Erbfolge ausschließen will, obwohl die juristischen Voraussetzungen für eine Pflichtteilsentziehung nicht gegeben sind, muss also andere Wege gehen.

Pflichtteil mit geringem Erbteil umgehen

In vielen Fällen versuchen die späteren Erblasser, den Pflichtteil zu umgehen, indem sie den betreffenden Erben nicht enterben, sondern diesem über das Testament nur einen geringen Erbteil zuweisen. Da das Pflichtteilsrecht stets eine Enterbung voraussetzt, erscheint dies als optimale Möglichkeit, schließlich wird der entsprechende Erbe mit einem geringen Erbteil abgespeist, ohne einen Anspruch auf den Pflichtteil geltend machen zu können. Auf den ersten Blick mag diese Lösung zwar ideal erscheinen, aber dem ist keineswegs so. Anstatt eines Pflichtteilsanspruchs kann der betroffene Erbe gemäß § 2305 BGB einen Zusatzpflichtteil verlangen. Dieser macht die Differenz zwischen dem testamentarisch zugewiesenen Erbteil und dem gesetzlichen Pflichtteil aus.

Pflichtteil mit Schenkungen umgehen

Folglich lässt sich der Pflichtteil nicht durch einen geringen Erbteil umgehen. Aus diesem Grund nutzen viele Erblasser Schenkungen hierzu und verschenken einen Großteil ihres Hab und Guts noch zu Lebzeiten. Auf diese Art und Weise verlieren sie zwar ihre Eigentumsrechte, können aber dahingegen sichergehen, dass die richtige Person den betreffenden Vermögenswert erhält, und außerdem ihren Nachlass verringern.

In der Praxis ergeben sich hier aber einige Schwierigkeiten, denn Schenkungen werden grundsätzlich zum Nachlass addiert, sodass sich ein fiktiver Nachlass ergibt, der dem tatsächlichen Nachlass inklusive Schenkungen entspricht. Dieser fiktive Nachlass ist die Berechnungsgrundlage für den Ergänzungsanspruch, sodass der Pflichtteil durch Schenkungen nicht umgangen werden kann.

Durch eine Gesetzesänderung, die zum 01. Januar 2010 in Kraft getreten ist, hat sich diesbezüglich aber eine Änderung ergeben. So sinkt der Ergänzungsanspruch pflichtteilsberechtigter Erben mit jedem Jahr, das zwischen der Schenkung und dem Erbfall liegt, um 10 Prozent. Wer also bereits frühzeitig mit der Nachlassplanung beginnt und Schenkungen schon früh tätigt, kann den Pflichtteil durchaus umgehen oder zumindest minimieren.

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