Bedeutung des Pflichtteil-Testaments für Erben
Künftige Erblasser, die im Bezug auf ihren Nachlass von der gesetzlichen Erbfolge abweichende Vorstellungen haben, müssen aktiv werden und können mithilfe eines Testaments eine gewillkürte Erbfolge festlegen, die Vorrang vor dem gesetzlichen Erbrecht hat. Hierfür sorgt vor allem die im Bürgerlichen Gesetzbuch verankerte Testierfreiheit. In § 1937 BGB legt der deutsche Gesetzgeber fest, dass die Erbeinsetzung durch den künftigen Erblasser im Rahmen einer Verfügung von Todes wegen frei vorgenommen werden kann. Folglich genießt man in diesem Zusammenhang maximale Freiheit und kann seine persönlichen Vorstellungen ohne Weiteres verwirklichen. Zu Lebzeiten sorgt das Eigentumsrecht für diese Freiheit, während das Erbrecht diese gewissermaßen ausdehnt und dafür sorgt, dass man im Vorfeld Verfügungen errichten kann, die im eigenen Todesfall gelten und den Nachlass regeln.
Der Eindruck absoluter Freiheit, der durch die Testierfreiheit entsteht, entspricht jedoch nicht gänzlich der Wahrheit. Es ist zwar korrekt, dass die Erbeinsetzung im Rahmen einer Verfügung von Todes wegen frei vorgenommen werden kann, doch unter gewissen Umständen wird auch ein richtig verfasstes Testament nicht vollständig umgesetzt. Die gewillkürte Erbfolge wird im deutschen Erbrecht heute wie gestern immer vorrangig behandelt, aber durch das Pflichtteilsrecht mehr oder weniger massiv eingeschränkt.
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Das Pflichtteilsrecht als Einschränkung der Testierfreiheit
Der deutsche Gesetzgeber sichert zunächst in § 1937 BGB eine Testierfreiheit zu, schränkt diese jedoch durch §§ 2303 ff. BGB erheblich ein. Als künftiger Erblasser kann man seinen Nachlass zwar frei vererben, muss aber bedenken, dass den Mitgliedern des pflichtteilsberechtigten Personenkreises auf jeden Fall eine Mindestbeteiligung am Erbe in Form des Pflichtteils zusteht. Dieser Pflichtteil liegt bei der Hälfte des gesetzlichen Erbteils und soll dafür Sorge tragen, dass die nächsten Angehörigen auf jeden Fall erbrechtliche Ansprüche geltend machen können. Ein Pflichtteil muss stets zeitnah und in flüssigen Geldmitteln ausbezahlt werden.
Der pflichtteilsberechtigte Personenkreis beinhaltet die Kinder sowie den Ehegatten beziehungsweise eingetragenen Lebenspartner des verstorbenen Erblassers. Diese Personen können also einen Pflichtteilanspruch geltend machen, sofern sie dem Testament zufolge leer ausgehen würden. Entferntere Abkömmlinge und auch die Eltern des Erblassers können auch pflichtteilsberechtigt sein, sofern sie durch nähere Angehörige nicht ohnehin von der Erbfolge ausgeschlossen werden.
Pflichtteilsergänzungsanspruch im BGB
In einigen Fällen versuchen künftige Erblasser Angehörige aber auch vom Pflichtteil auszuschließen und streben aus diesem Grund eine Pflichtteilsentziehung an. Diese muss gemäß § 2336 BGB in der Verfügung von Todes wegen explizit gewünscht werden. Zudem muss aber auch ein triftiger Grund vorliegen, da eine Pflichtteilsentziehung nur in wenigen Ausnahmefällen erfolgen kann. In welchen Situationen der deutsche Gesetzgeber eine Pflichtteilsentziehung zulässt, kann in § 2333 BGB nachgelesen werden.
Nur wenn ein Pflichtteilsberechtigter eine der Voraussetzungen für eine Pflichtteilsentziehung erfüllt und beispielsweise dem Erblasser beziehungsweise dessen Ehegatten, eingetragenen Lebenspartner oder Abkömmling nach dem Leben trachtet, geht dieser vollkommen leer aus. Dies kommt aber nur in Ausnahmefällen vor, so dass eine Pflichtteilsentziehung nur selten möglich ist. Um dennoch zu erreichen, dass die betreffende Person ihren Pflichtteil nicht erhält, bedenken manche Erblasser ihre Pflichterben mit einem minimalen Erbe.
Der deutsche Gesetzgeber hat aber natürlich auch für diesen Fall vorgesorgt und in § 2305 BGB den Pflichtteilsergänzungsanspruch verankert. Sollte ein Erbe einen Erbteil erhalten, dessen Wert unter seinem Pflichtteil liegt, hat dieser Anspruch auf eine Pflichtteilsergänzung. So müssen die Miterben dem benachteiligten Erben einen Zusatzpflichtteil zahlen, so dass dieser zumindest in Höhe des Pflichtteils am Erbe beteiligt wird.
Der Pflichtteil spielt im deutschen Erbrecht somit eine nicht unwesentliche Rolle und kann für gewöhnlich nicht umgangen werden. Künftige Erblasser, die ihren Nachlass mit einem Testament regeln, müssen demnach akzeptieren, dass sie gewissen Einschränkungen unterliegen. Im Zuge dessen muss man in Kauf nehmen, dass die nächsten Angehörigen stets am Nachlass beteiligt werden, es sei denn, sie liefern einen handfesten Grund für eine Pflichtteilsentziehung.