Pflichtteilsentziehung durchsetzen

Bei einem Pflichtteilsanspruch ist der Wert des Nachlasses zur Zeit des Erbfalls maßgeblich. Der Pflichtteilsanspruch verhindert vollständige Enterbung und ist ein Geldanspruch. Er ist ebenso ist nicht auf Übertragung bestimmter Nachlassgegenstände gerichtet. Es kann also durchaus geschehen, dass ein „böses“ Kind seinen Pflichtteil nach dem erstversterbenden Elternteil geltend macht und zudem noch seinen Erbteil nach dem länger lebenden Elternteil als Schlusserbe erlangt (z.B. Pflichtteil nach Vater und Erbteil der Mutter). Ein braves Kind, das seinen Pflichtteil nicht verlangt, würde in diesem Fall nur den Erbteil nach dem länger lebenden Elternteil erhalten (nur Erbteil nach der Mutter, aber keinen Pflichtteil nach dem Vater). Das böse Kind hätte also mehr als das brave Kind.

Zur Vermeidung dieses unbilligen Ereignisses gibt es verschiedene Möglichkeiten. Bereits zu Lebzeiten können Eltern mit ihren Kindern einen Pflichtteilsverzicht vertraglich vereinbaren. Kommt ein Verzicht der Kinder auf das Pflichtteilsrecht nach dem erstversterbenden Elternteil nicht in Betracht, so können Pflichtteilsstrafklauseln oder Verwirkungsklauseln vorgesehen werden.

Testamentsbeispiel:

„Sollte eines unserer Kinder beim Tod des zuerst versterbenden von uns gegenüber dem länger lebenden seinen Pflichtteil verlangen, so soll es aus dem Nachlass des Längstlebenden von uns nichts erhalten; jede in diesem Testament zu seinen Gunsten getroffene Verfügung soll unwirksam sein. Das Kind, das den Pflichtteil verlangt, erhält aus dem Nachlass des Letztversterbenden von uns nur den Pflichtteil.“

Weitere Testamentsklauseln finden Sie unter Testament Muster und Vorlagen

Weitere Möglichkeit der Formulierung der Pflichtteilsentziehung

Weiteres Beispiel für das Durchsetzen einer Pflichtteilsentziehung:

„Macht eines unserer Kinder beim Tod des Erstversterbenden seinen Pflichtteil geltend, so sind es und seine Abkömmlinge auch beim Tod des Überlebenden auf den Pflichtteil gesetzt. Außerdem erhält in diesem Fall dasjenige Kind, das keine Pflichtteilsansprüche geltend macht, ein Vermächtnis in Höhe seines gesetzlichen Erbteils aus dem Nachlass des Erstversterbenden, auszahlbar beim Tod des Letztversterbenden. Erheben beide Kinder beim Tod des Erstversterbenden Pflichtteilsansprüche, so sind sie auch für den zweiten Erbfall auf den Pflichtteil beschränkt. Der Überlebende von uns kann in diesem Fall frei auch durch letztwillige Verfügung neu verfügen. Der Überlebende kann einseitig Vermächtnisse bis zu 10 Prozent seines Reinvermögens im Augenblick seines Todes und eine Testamentsvollstreckung anordnen.“

Dabei muss allerdings bedacht werden, dass beim zweiten Erbfall der Pflichtteil aus dem ganzen Vermögen des zuletzt versterbenden zu berechnen ist, zu dem auch der Nachlass des Erstversterbenden gehört. Um den Nachlass des zuerst versterbenden entsprechend zu mindern, kann folgende zusätzliche Regelung vorgesehen werden, die allerdings einkommensteuerlich problematisch ist, was von den Finanzämtern jedoch oft nicht erkannt wird: „Die Kinder, die Pflichtteilsansprüche nicht geltend machen, erhalten aus dem Nachlass des Erstversterbenden von uns ein Geldvermächtnis in Höhe des Wertes ihres gesetzlichen Erbteils unter Übernahme der Pflichtteilslast. Der Anfall des Vermächtnisses erfolgt beim Tod des Erstversterbenden, es wird jedoch erst fällig mit dem Tod des Längstlebenden von uns.“

Für den Fall, dass die Kinder den Pflichtteil nach dem Tod des Erstversterbenden verlangen, kann auch die dem Überlebenden eingeräumte Befugnis hilfreich sein, völlig frei über den Nachlass zu verfügen oder die Erbteile unter den Kindern neu festzusetzen. Dadurch hat der überlebende Ehegatte die Möglichkeit, widerspenstige Kinder auf den Pflichtteil zu setzen. Diese Klauseln bergen jedoch die Gefahr, dass die auf die Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen verzichtenden Kinder durch eine spätere letztwillige Verfügung des Längstlebenden zusätzlich benachteiligt werden. Beispiel: „Der Überlebende von uns ist jedoch berechtigt, diese Erbeinsetzung einseitig unter unseren gemeinschaftlichen ehelichen Kindern und Enkelkindern beliebig abzuändern. Er ist auch berechtigt, einen Abkömmling zu enterben, ihm Vermächtnisse zuzuwenden, Teilungsanordnungen zu treffen oder einen Dritten zum Testamentsvollstrecker zu bestimmen. Zugunsten dritter Personen darf er keine letztwilligen Verfügungen errichten.“

Der Pflichtteilsanspruch ist ein reiner Geldanspruch. Er entsteht mit dem Erbfall und verjährt innerhalb von drei Jahren seit Kenntnis des Erbfalles und der beeinträchtigenden Verfügung. Bei einer Erbunwürdigkeit des Erben liegen die Entziehungsgründe ganz klar auf der Hand lesen Sie hierzu: „Welche Gründe führen zur Erbunwürdigkeit?“

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