Erben ohne Testament

Obgleich der Tod ebenso wie die Geburt einer der Fixpunkte im Leben eines jeden Menschen ist, neigen viele Menschen dazu, dieses Thema zu tabuisieren. So werden das Sterben und der Tod aus dem Bewusstsein verdrängt und werden im Alltag daher für gewöhnlich nicht beachtet. Kommt es im Umfeld zu einem Trauerfall, ist der Schock dann stets groß und der Schmerz übermächtig, so dass man sich wohl oder übel mit diesem Thema auseinandersetzen muss. 

Der eigene Tod und der darauf folgende Erbfall sind dennoch ein Thema, über das sich die meisten Menschen lieber keine Gedanken machen, da sie diesen Moment fürchten. Gleichzeitig hat dieses Vermeidungsverhalten zur Folge, das man auch nicht angemessen vorsorgen kann. Dass in einem Großteil der Erbfälle kein Testament vorliegt, ist folglich in keinster Weise verwunderlich. Bei Erbengemeinschaften können solch unklare Situationen jedoch zu vielen Erbstreitigkeiten führen, die nicht selten vor einem Richter enden.

Gesetzliche Erbfolge im Bürgerlichen Gesetzbuch

Beim Erben ohne Testament ergibt sich für die Hinterbliebenen jedoch mitunter eine Schwierigkeit, die künftige Erblasser oftmals außer Acht lassen. Ein Testament liefert diesen schließlich umfassende Informationen zum letzen Willen des Verstorbenen und ist somit ein zentraler Orientierungspunkt im gesamten Nachlassverfahren. Der Erblasser lebt zwar nicht mehr, hat aber detaillierte Angaben darüber hinterlassen, wie sein Hab und Gut nach seinem Ableben aufgeteilt werden soll. Dies gibt den Erben ein Höchstmaß an Sicherheit und sorgt dafür, dass sie sich nicht ständig fragen müssen, was der Verstorbene gewollt hätte.

In der Bundesrepublik Deutschland ist die Errichtung eines Testaments aber natürlich nicht zwingend erforderlich, denn die gesetzliche Erbfolge definiert die Rahmenbedingungen zum Erben ohne Testament. In §§ 1924 ff. BGB ist die gesetzliche Erbfolge anhand eines umfassenden Ordnungssystems aufgrund der Abstammung definiert, das die nächsten Angehörigen des Erblassers zur Erbfolge beruft. Grundsätzlich erfolgt im Rahmen des Ordnungssystems der Ausschluss von der Erbfolge, wenn ein Verwandter der vorherigen Ordnung existiert. Darüber hinaus hat das sogenannte Stammesprinzip innerhalb der einzelnen Ordnungen Wirksamkeit. Gesetzlich sind jedoch auch abweichend hiervon Adoptierte und Ehegatten in die Erbenordnung als gesetzliche Erben integriert. Nach einer Adoption gelten diese Personen als Familienzugehörige und für Ehegatten gelten die Sonderregelungen des Ehegattenerbrechts.

Erbfolge in der Praxis

In der Praxis bedeutet dies, dass ein Erbe alle anderen Erben nach dem Repräsentationsprinzip von der Erbfolge ausschließt, sofern diese über ihn mit dem verstorbenen Erblasser verwandt sind. In der ersten Ordnung finden ausschließlich die ehelichen und unehelichen Abkömmlinge des Erblassers Berücksichtigung, während die zweite Ordnung den Eltern und deren Abkömmlingen vorbehalten ist. Die Großeltern und deren Abkömmlinge werden dahingegen in der dritten Ordnung zusammengefasst, die Urgroßeltern und deren Abkömmlinge in der vierten Ordnung. Entferntere Verwandte werden im Rahmen der fünften oder einer ferneren Ordnung zur gesetzlichen Erbfolge berufen. Zusätzlich ergänzt das in § 1931 BGB definierte Ehegattenerbrecht das gesetzliche Erbrecht der Bundesrepublik Deutschland.

Liegt kein Testament vor, wird im deutschen Erbrecht dieser gesetzlichen Erbfolge entsprechend verfahren. 

Künftige Erblasser, die ihren Angehörigen ein Höchstmaß an Sicherheit verschaffen und gleichzeitig ihre persönlichen Wünsche rechtswirksam definieren möchten, sollten daher von ihrer Testierfreiheit Gebrauch machen und eine Verfügung von Todes wegen errichten.

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