Vorsorge für behinderte Erben
Eltern eines behinderten Kindes haben oftmals besonders viele Sorgen und müssen sich mitunter ihr ganzes Leben um das Kind kümmern, da dieses aufgrund seiner Behinderung nie selbständig leben können wird. Während andere Eltern ihren Nachwuchs auf ein selbständiges Leben als Erwachsener vorbereiten und im Laufe der Jahre beobachten können, wie die Kinder heranwachsen und immer selbständiger werden, ist dies Eltern eines behinderten Kindes oftmals nicht vergönnt. Die Behinderung schränkt das Kind mehr oder weniger stark in seiner Lebensführung ein und ist häufig dafür verantwortlich, dass es ein Leben lang hilfsbedürftig bleibt. In Anbetracht der Tatsache, dass die Eltern naturgemäß vor den Kindern versterben, ist die Sorge um die Zukunft des behinderten Kindes selbstverständlich groß.
- Wer kümmert sich um das behinderte Kind?
- Wie soll das Kind seinen Lebensunterhalt bestreiten?
- Welche Vorsorgemaßnahmen kann man zugunsten des behinderten Kindes ergreifen?
All diese Fragen und viele mehr beschäftigen die Eltern. Ein sogenanntes Behindertentestament ist möglich im deutschen Erbrecht und es erweist sich in diesem Zusammenhang als gute Lösung. Es gibt Erblassern die Gelegenheit, adäquat für ihr behindertes Kind vorzusorgen und dieses umfassend abzusichern. Insbesondere wenn keine Aussicht darauf besteht, dass das behinderte Kind jemals dazu in der Lage sein wird, seinen Lebensunterhalt selbst zu bestreiten, ist eine Vorsorge durch die Eltern von großer Wichtigkeit. Im Zuge dessen gilt es allerdings einige Besonderheiten zu beachten, weshalb ein „gewöhnliches“ Testament in der Regel nicht die passende Maßnahme ist. Stattdessen empfiehlt sich bei behinderten Erben ein spezielles Behindertentestament.
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Behindertentestament und Sozialhilferecht
Behinderte Menschen, die nicht selbständig zu ihrem Lebensunterhalt beitragen können, erhalten für gewöhnlich staatliche Unterstützung. Solche Sozialleistungen sind in der Bundesrepublik Deutschland vom Einkommen und Vermögen des Empfängers abhängig. Menschen mit Behinderung verfügen oftmals über ein nur geringes Einkommen oder haben gar kein Einkommen, so dass diesbezüglich ein Anspruch auf staatliche Unterstützung besteht. Durch eine Erbschaft erwirbt der Sozialhilfeempfänger allerdings Vermögen, das wiederum dem Sozialhilfeträger zustehen kann. Wollen Eltern für ihr behindertes Kind vorsorgen, müssen sie dies bedenken, denn das im Rahmen der Erbschafterworbene Vermögen kommt dann nicht dem Begünstigten zugute, sondern geht an den Sozialhilfeträger. Dies ist natürlich nicht im Sinne der Eltern, die ihr behindertes Kind nach ihrem Tod gut versorgt wissen möchten und zu diesem Zweck mitunter ein kleines Vermögen aufgebaut haben, dass die Zukunft des Kindes sichern soll.
Gemäß § 1 zu § 90 SGB XII steht Sozialhilfeempfängern zwar ein Schonbetrag zu, doch dieser ist mit in der Regel 2.600 Euro recht gering bemessen und wird durch eine Erbschaft leicht überschritten, zum Beispiel beim Haus erben. Um dennoch zu verhindern, dass das Erbe dem Sozialhilfeträger zufällt und somit nicht dem Begünstigten dient, müssen entsprechende Maßnahmen ergriffen werden. Als adäquate Lösung hat sich hier das Behindertentestament etabliert, das genau diese Problematik behebt und dafür Sorge trägt, dass das behinderte Kind eines Erblassers trotz der Erbschaft weiterhin staatliche Unterstützung erhält.
Vorsorge durch Vor- und Nacherbschaft
Das Testament für Behinderte ist demnach eine besondere Form der Verfügung von Todes wegen, die dafür sorgt, dass behinderte Erben im Rahmen einer Erbschaft begünstigt werden, ohne dass die Sozialleistungen hiervon beeinflusst würden oder das Erbe dem Sozialhilfeträger zufallen würde. Um dies zu erreichen, muss der Erblasser die Möglichkeiten der Vor- und Nacherbschaft ausschöpfen, denn diese machen ein Behindertentestament aus.
Das behinderte Kind wird hierbei als Vorerbe eingesetzt, während gleichzeitig ein Nacherbe testamentarisch bestimmt wird.
Auf diese Art und Weise ist das Erbe vor Zugriffen durch den Sozialhilfeträger wirksam geschützt, weil der Behinderte schließlich lediglich der Vorerbe ist und somit gemäß § 2112 BGB in einem Verfügungsrecht stark eingeschränkt ist. Der Vorerbe hat die Pflicht, den Nachlass für den Nacherben zu erhalten und deshalb wird auch der Erbschein diesbezüglich eingeschränkt sein.
Indem im Behindertentestament ein Testamentsvollstrecker eingesetzt wird, können dem behinderten Kind des Erblassers Zuwendungen zukommen. Als künftiger Erblasser sollte man in diesem Zusammenhang unbedingt juristisch festlegen, wann der Vorerbe in den Genuss von Zuwendungen aus dem Nachlass kommen soll. Hierbei gilt es zudem zu beachten, dass diese Zuwendungen dem Schonvermögen zugerechnet werden können und die Sozialhilfe somit nicht beeinflussen.
Mit einem solchen Behindertentestament können Eltern eines behinderten Kindes sicherstellen, dass ihr Vermögen ihrem Kind zur Verfügung steht und diesem zugutekommt, auch wenn es staatliche Unterstützung erhält. Der Testamentsvollstrecker überwacht die Zuwendungen und führt diese durch. In Anbetracht all der Besonderheiten eines Behindertentestaments ist es ratsam, in diesem Zusammenhang juristische Hilfe in Anspruch zu nehmen, schließlich erweisen sich die Testamentserrichtung und die Nachlassvorsorge ohnehin schon als komplexes Unterfangen.
Damit es später zu keinen Schwierigkeiten kommt und das Erbe wie gewünscht eingesetzt wird, ist bei behinderten Erben ein Behindertentestament absolut unverzichtbar und somit für Eltern eines behinderten Kindes ein absolutes Muss. Oftmals erscheint eine Enterbung des behinderten Kindes als gute Alternative, um den Nachlass vor Zugriffen durch den Sozialhilfeträger zu schützen, aber dies erweist sich immer wieder als Trugschluss. Der Sozialhilfeträger wird dann den Pflichtteil des behinderten Kindes geltend machen. Folglich darf man die Komplexität der Testamentserrichtung im Falle behinderter Erben auf keinen Fall unterschätzen und sollte gemeinsam mit einem erfahrenen Anwalt oder Notar ein auf den Einzelfall abgestimmtes Behindertentestament errichten, um diesbezüglich kein Risiko einzugehen.