Rechtsfähigkeit im Erbrecht

Die Rechtsfähigkeit ist einer der wesentlichen Aspekte, mit denen sich die deutsche Rechtsprechung befasst, schließlich ergeben sich hieraus die Rechte und Pflichten des Einzelnen. Nur wer von Gesetzes wegen rechtsfähig ist, ist juristisch in der Lage, Rechte und Pflichten wahrzunehmen und zu tragen. Gemäß § 1 BGB wird jedem Menschen die Rechtsfähigkeit zugesprochen, die ein zentraler Bestandteil der persönlichen Würde ist. Mit der Geburt wird man rechtsfähig und so Träger von Rechten und Pflichten. Der Tod bereitet der persönlichen Rechtsfähigkeit, § 1922 BGB entsprechend, ein Ende.

Rechtsfähigkeit in der deutschen Rechtsprechung

Natürliche Personen sind in der deutschen Rechtsprechung stets mit einer Rechtsfähigkeit ausgestattet. Dies ergibt sich bereits aus § 1 BGB, denn der Gesetzgeber macht hierin deutlich, dass mit der Vollendung der Geburt die Rechtsfähigkeit der geborenen Person beginnt. Folglich findet im juristischen Sinne keine Trennung zwischen der Rechtsfähigkeit und dem Mensch-Sein statt, wie dies in vergangenen Zeiten mitunter durchaus möglich war und auch praktiziert wurde.

Der deutsche Gesetzgeber sieht allerdings nicht nur für natürliche Personen die Rechtsfähigkeit vor, denn diese kann auch juristischen Personen und Personengesellschaften gegeben sein. In diesem Zusammenhang muss man aber beachten, dass die Rechtsfähigkeit nicht der persönlichen Würde, sondern der Zweckmäßigkeit dient. Hierzulande sind juristische Personen des privaten Rechts, zu denen Aktiengesellschaften, eingetragene Vereine, eingetragene Genossenschaften, Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Körperschaften des Privatrechts und Stiftungen des bürgerlichen Rechts gehören, daher rechtsfähig. Juristische Personen des öffentlichen Rechts, bei denen es sich um Körperschaften des öffentlichen Rechts, Stiftungen des öffentlichen Rechts sowie Anstalten des öffentlichen Rechts handeln kann, können ebenfalls rechtsfähig sein, sofern ihnen die Rechtsfähigkeit verliehen wurde.

Zusätzlich kennt das Gesetz der Bundesrepublik Deutschland noch die Teilrechtsfähigkeit. Nicht eingetragene Vereine, Wohnungseigentümergemeinschaften sowie verschiedene Personenvereinigungen des Privatrechts, wie zum Beispiel offene Handelsgesellschaften, Gesellschaften bürgerlichen Rechts und Kommanditgesellschaften, können für sich die Teilrechtsfähigkeit in Anspruch nehmen. Darüber hinaus nimmt ein Embryo eine besondere Stellung im Bezug auf die Rechtsfähigkeit ein. 

Rechtsfähigkeit ungeborenen Lebens im Erbrecht

Im Zusammenhang mit dem Erbrecht ist die Rechtsfähigkeit von großer Bedeutung und sollte keineswegs außer Acht gelassen werden, denn diese beantwortet die wichtige Frage: Wer kann erben? Das deutsche Erbrecht befasst sich in § 1923 BGB mit der Erbfähigkeit und legt fest, dass nur Erbe werden kann, wer zum Zeitpunkt des Erbfalls lebt. Hieraus ergibt sich eine enge Verknüpfung der Rechtsfähigkeit mit der Erbfähigkeit. Nichtsdestotrotz sind diese beiden Sachverhalte nicht gleichzusetzen, wie sich unter anderem anhand des Nasciturus zeigt. Da es sich bei einem Nasciturus um einen noch ungeborenen Menschen, also um einen Embryo handelt, ist dieser gemäß § 1 BGB nicht voll rechtsfähig. In § 1923 BGB wird dem Nasciturus in der Erbreihenfolge aber dennoch eine Erbfähigkeit zugeschrieben. Eine Person, die zum Zeitpunkt des Erbfalls noch nicht lebt, aber bereits gezeugt wurde, wird vom deutschen Gesetzgeber gleichgestellt mit Personen, die vor dem Erbfall bereits geboren waren.

In der juristischen Fachsprache ist in Zusammenhang mit einem Embryo, sprich einer gezeugten, aber noch nicht geborenen Person, die Rede von einem Nasciturus. Dieser ist teilrechtsfähig und somit Träger von Rechten, die sich in erster Linie auf dessen Schutz beziehen. Selbst kann der Nasciturus zwar keine Rechte und Pflichten begründen, aber durchaus Träger von Rechten sein, die sich aus vertraglichen Vereinbarungen Dritter ergeben

Erbfähigkeit und Rechtsfähigkeit

Dass Erbfähigkeit und Rechtsfähigkeit nicht gleichzusetzen sind, zeigen noch weitere Sachverhalte. So kann eine juristische Person von Gesetzes wegen durchaus rechtsfähig sein, erbfähig können aber ausschließlich natürliche Personen sein. Manche Menschen haben zudem den Wunsch, beispielsweise ihr Haustier als Erben einzusetzen. Der deutsche Gesetzgeber erlaubt dies allerdings nicht, da es sich hierbei um keine rechtsfähige Person handelt. Ein Tier kann nicht Träger von Rechten und Pflichten im Sinne des Erbrechts sein, obgleich die Rechtsprechung der Bundesrepublik Deutschland einige Schutzrechte für Tiere beinhaltet. Selbst wahrnehmen kann ein Tier diese Rechte nicht, so dass hier auch keine Erbfähigkeit gegeben ist.

In Zusammenhang mit dem Erbrecht heute ist die Rechtsfähigkeit ebenfalls von Bedeutung, wenn es um die Erbeinsetzung im Testament oder in der gesetzlichen Erbfolge geht. Mitunter fragt man sich, wer etwas vererben kann. Artikel 14 des deutschen Grundgesetzes liefert hier wichtige Anhaltspunkte. Hierin werden das Eigentum und das Erbrecht als Grundrechte gewährleistet. Folglich verfügt jede rechtsfähige Person hierzulande von Natur aus über ein Erbrecht und kann Regelungen verfassen, die sich mit dem eigenen Nachlass und dessen Verteilung nach dem eigenen Tod befassen. Die genaue Gestaltung des Erbrechts ergibt sich aus der betreffenden Gesetzgebung, die im Bürgerlichen Gesetzbuch juristisch verankert ist.

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