Erbrechtsreform in Liechtenstein

Im Herzen Europas gelegen und doch nicht Teil der Europäischen Union, dies trifft auf das beschauliche Fürstentum Liechtenstein zu. Mit einer Fläche von nur 160 Quadratkilometern präsentiert sich das Fürstentum als kleiner Staat. Angesichts der Tatsache, dass hier deutsch gesprochen wird, entsteht mitunter der Eindruck, die Organisation des Staates sei vielleicht an die Bundesrepublik Deutschland angelehnt, was in keinster Weise der Fall ist. Dies zeigt sich nicht nur anhand der Tatsache, dass es sich bei Liechtenstein um ein Fürstentum handelt, sondern unter anderem auch im Erbrecht.

Die Rechtsprechung im liechtensteinischen Erbrecht unterscheidet sich zum Teil erheblich von der Gesetzeslage in der Bundesrepublik Deutschland und dem deutschen BGB Erbrecht. Nichtsdestotrotz kennt das Erbrecht in Liechtenstein eine gesetzliche Erbfolge ebenso wie gewillkürte Erbfolgen per Verfügung von Todes wegen. Wie in allen deutschsprachigen Ländern tritt auch in Liechtenstein die gesetzliche Erbfolge immer dann in Kraft, wenn der verstorbene Erblasser keine letztwillige Verfügung hinterlassen hat. Ansonsten ist das Testament für das Nachlassverfahren maßgebend.

Die Erbrechts-Reform in Liechtenstein

Im März 2012 hat, lt. dem Volksblatt Liechtenstein der dortige Landtag eine Reform des nationalen Erbrechts beschlossen und so einzelne Regelungen angepasst. Auf diese Art und Weise wurde das Erbrecht Liechtensteins modernisiert und auf aktuellen Stand gebracht. Zuvor hatten viele Menschen eine Benachteiligung des überlebenden Ehegatten zu beklagen, sofern die gesetzliche Erbfolge zum Einsatz kam. Die Reform des Erbrechts schaffte hier Abhilfe. Die rechtliche Stellung des Ehegatten wurde optimiert, so dass dieser nun von Gesetzes wegen neben den Abkömmlingen des Erblassers die Hälfte des Nachlasses erbt.

Die Erbrechts-Reform der liechtensteinischen Regierung betrifft aber nicht nur das gesetzliche Erbrecht des überlebenden Ehegatten, sondern hat unter anderem auch den Erbvertrag reformiert. So haben fortan nicht mehr nur Ehegatten und eingetragene Lebenspartner die Möglichkeit, einen Erbvertrag abzuschließen. Weiterhin können die Liechtensteiner dank der Erbrechts-Reform frei entscheiden, ob sie mit ihrem Erbvertrag für den gesamten Nachlass oder nur einen Teil ihres Nachlassvermögens vorsorgen. In dieser Hinsicht hat die Reform des Erbrechts für deutlich mehr Freiheit gesorgt.

Die Erbrechts-Reform im Fürstentum Liechtenstein hat noch weitere Bereiche verändert. Unter anderem ist hier das Pflichtteilsrecht zu nennen. Grundsätzlich blieb dieses zwar unangetastet und ist nach wie vor wichtiger Bestandteil des liechtensteinischen Erbrechts, allerdings wurden einige Bestimmungen geändert. So wurden Regelungen zur Ratenzahlung und Stundung in das Erbrecht Liechtensteins aufgenommen. Darüber hinaus wurden veraltete Formulierungen zum Teil aktualisiert, so dass das liechtensteinische Erbrecht eine bessere Verständlichkeit erhalten hat.

Gewillkürte und gesetzliche Erbfolge im Fürstentum Liechtenstein

Basis des liechtensteinischen Erbrechts ist die gesetzliche Erbfolge, deren Grundlage das Verwandtenerbrecht darstellt. So haben die nächsten Verwandten des verstorbenen Erblassers auch im Fürstentum Liechtenstein erbrechtlich oberste Priorität und werden von Gesetzes wegen bevorzugt. Die Kinder und weiteren Abkömmlinge des Erblassers bilden die erste Linie, die zweite Linie ist für die Eltern und deren Abkömmlinge vorgesehen und die Großeltern bilden gemeinsam mit ihren Nachkommen die dritte Linie innerhalb der gesetzlichen Erbfolge Liechtensteins. Die Urgroßeltern des verstorbenen Erblassers finden hier ebenfalls Berücksichtigung und stellen die vierte Linie dar. Nur wenn keine Erben einer Linie vorhanden sind, ist die nachfolgende Linie für das gesetzliche Erbrecht von Belang. Abgesehen von diesem Linien-System im Rahmen des Verwandtenerbrechts sieht die gesetzliche Erbfolge im Fürstentum Liechtenstein ebenfalls ein Ehegattenerbrecht vor. Folglich wird auch der überlebende Ehegatte, dessen Stellung im Zuge der Erbrechts-Reform verbessert wurde, neben den nächsten Verwandten des verstorbenen Erblassers zur gesetzlichen Erbfolge berufen. Für den Fall, dass der verstorbene Erblasser keine gesetzlichen Erben hinterlassen und auch keine testamentarische Erbeinsetzung vorgenommen hat, liegt das Erbrecht beim liechtensteinischen Staat.

Gewillkürte Erbfolgen, die vom gesetzlichen Erbrecht abweichen und somit den persönlichen Wünschen und Vorstellungen des Erblassers Rechnung tragen, sind in Liechtenstein natürlich ebenfalls zulässig. Der künftige Erblasser muss lediglich eine rechtskräftige letztwillige Verfügung errichten. Das Testament ist hier der Klassiker der Verfügung von Todes wegen und in mehreren Varianten zulässig. 

Das liechtensteinische Erbrecht kennt:

  • das schriftliche Drei-Zeugen-Testament  
  •  das öffentliche Testament  
  • das handschriftliche Testament 
  • den Erbvertrag, der seit der Erbrechtsreform nicht mehr nur von Ehegatten abgeschlossen werden kann.  
  • das Kodizil

Erläuterung: Das Kodizil ist eine besondere Form der Verfügung von Todes wegen in Liechtenstein. Hierbei kommt es zu keiner Erbeinsetzung, sondern lediglich zu einem Vermächtnis.

Das internationale Erbrecht in Liechtenstein

Kommt es zu einem internationalen Erbfall, findet auch in Liechtenstein das internationale Erbrecht Anwendung. Dieses gibt unter anderem vor, welches Erbrecht in einem konkreten Fall maßgebend ist. 

Artikel 10 des in Liechtenstein geltenden IPRG nimmt das Heimatrecht des verstorbenen Erblassers als Maßstab. Folglich ergibt sich die Zuständigkeit des Erbrechts aus der Nationalität des Erblassers. 

Darüber hinaus existieren einige Sonderregelungen bezüglich des internationalen Erbrechts in Liechtenstein. Hatte der verstorbene Erblasser Grundbesitz im Fürstentum Liechtenstein oder hier seinen letzten Wohnsitz, ist das liechtensteinische Erbrecht für den betreffenden Erbfall zuständig.

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