Sozialhilfe und Erbschaft

Obgleich man auch Schulden erben kann, bedeutet eine Erbschaft häufig eine Bereicherung der Erben, schließlich erwerben diese von Todes wegen Vermögenswerte aus dem Nachlass des Verstorbenen. Angesichts der immensen Trauer, die man in einer solchen Situation empfindet, bleibt zunächst kein Raum für juristische Angelegenheiten. Nichtsdestotrotz hat der Tod eines Menschen unter anderem auch rechtliche Folgen, denn die Eigentumsverhältnisse an dessen Hab und Gut müssen geklärt werden. In § 1922 BGB ist festgelegt, dass der Tod einer Person eine Erbschaft zur Folge hat, in deren Rahmen das gesamte Vermögen des Erblassers als Nachlass auf die Erben über geht. Zu diesem Zweck ist eine Erbauseinandersetzung erforderlich, weshalb der Nachlass zuerst Eigentum aller Erben wird, die die Erbengemeinschaft bilden.

Dass im Nachlass befindliche Schulden die Erbschaft schmälern, ist den meisten Menschen bewusst. Auch die Tatsache, dass man als Erbe für die Nachlassverbindlichkeiten haftet, ist vielen Menschen wohl bekannt. So kommt es immer wieder dazu, dass Hinterbliebene aus Sorge um ihr privates Eigenvermögen eine Erbausschlagung vornehmen oder ein Nachlassinsolvenzverfahren beantragen. Ein Aspekt, den viele Menschen im Zusammenhang mit der Erbschaft vernachlässigen, ist der sogenannte Sozialhilferegress, welcher häufig auch durch ein Pflegerisiko ausgelöst wurde. Juristischen Laien ist häufig schlichtweg nicht bewusst, dass eine Erbschaft Regressansprüche des Sozialhilfeträgers zur Folge haben kann. Erben sollten sich daher diesbezüglich umfassend informieren und gegebenenfalls einen erfahrenen Rechtsanwalt für Erbrecht aufsuchen, um gemeinsam mit diesem die eventuell drohende Gefahr eines Sozialhilferegresses zu erörtern.

Regressansprüche des Sozialhilfeträgers gegen die Erben

Lebte der verstorbene Erblasser von der Sozialhilfe, kann es durchaus dazu kommen, dass der Sozialhilfeträger Regressansprüche gegen die Erben geltend machen möchte. Im Zuge dessen sollen die Erben dem Sozialamt die geleisteten Zahlungen unter Umständen erstatten. Auf den ersten Blick erscheint dies unverhältnismäßig, ist aber absolut rechtens, wie unter anderem eine Entscheidung des Berliner Sozialgerichts aus dem Jahr 2011 bestätigt. Sozialhilfeempfängern wird von Gesetzes wegen ein gewisses Schonvermögen eingeräumt, so dass diese durchaus etwas ansparen können. Die aus dem Schonvermögen resultierenden Ersparnisse sind dann nicht selten wesentlicher Bestandteil des Nachlasses. Für Erben ist dann jedoch Vorsicht geboten, denn das Schonvermögen ist lediglich dem Sozialhilfeempfänger vorbehalten. In der Praxis bedeutet dies, dass der Sozialhilfeträger Regressansprüche geltend machen kann sobald man sein Erbe angetreten hat oder einen gültigen Erbschein in Händen hält.

Der Sozialhilferegress kann sich auf sämtliche Sozialhilfezahlungen erstrecken, wodurch immense Forderungen auf die Erben des verstorbenen Erblassers zukommen können. Hat der Erblasser Sozialhilfe bezogen, muss man bei der Erbschaft den Sozialhilferegress berücksichtigen. 

Anders als bei Nachlassverbindlichkeiten müssen die Erben diesbezüglich aber nicht um ihr privates Eigenvermögen fürchten, denn dieses ist von etwaigen Regressansprüchen des Sozialhilfeträgers ausgenommen. 

Demnach erstreckt sich der Sozialhilferegress ausschließlich auf das Nachlassvermögen, kann dieses aber mitunter durchaus komplett verschlingen.

Erbrechtliche Sonderregelungen beim Sozialhilferegress

Im Zusammenhang mit dem Sozialhilferegress existieren einige erbrechtliche Sonderregelungen. Die Ersatzpflicht der Erben, die sich aus § 102 SGB XII ergibt, kann grundsätzlich sämtliche Aufwendungen des Sozialhilfeträgers umfassen und so möglicherweise den gesamten Nachlass betreffen. Allerdings sorgt § 85 SGB XII dafür, dass den Erben ein kleiner Freibetrag bleibt, der bezüglich des Sozialhilferegressanspruchs unberücksichtigt bleibt. Dies gilt ebenfalls für die Beerdigungskosten.

Der gesetzliche Kostenersatzanspruch des Sozialhilfeträgers kann für die Hinterbliebenen mitunter sehr schmerzhaft sein, da sie hierdurch einen großen Teil ihrer Erbschaft verlieren können. Hierbei darf man den Sozialhilferegress nicht mit dem Kostenersatzanspruch verwechseln, den der Sozialhilfeträger den Angehörigen des Erblassers gegenüber bereits zu dessen Lebzeiten geltend gemacht hat. Beinhaltet der Nachlass eines verstorbenen Sozialhilfeempfängers Vermögen, stammt dieses aus dem sogenannten Schonvermögen, das zurückverlangt werden kann. Hierfür hat der Sozialhilfeträger drei Jahre Zeit. Da der Sozialhilferegress auf das Erbe begrenzt ist, handelt es sich hierbei um keinen Grund für eine Erbausschlagung. Nichtsdestotrotz müssen die Hinterbliebenen hinnehmen, dass ein mitunter nicht unwesentlicher Teil der Erbschaft hierdurch für sie verloren geht. Um eine unbillige Härte zu vermeiden, wird nicht das gesamte Erbe im Rahmen eines Sozialhilferegresses in Anspruch genommen, so dass die Hinterbliebenen zumindest ein gewisses Erbe bleibt. Pflegende Angehörige können erbrechtlich höhere Ansprüche geltend machen, was natürlich auf die Regressansprüche des Sozialhilfeträgers Auswirkungen hat.

Maßnahmen zur Vermeidung oder Minderung des Sozialhilferegresses

Der Sozialhilferegress ist in der Regel weder im Sinne des künftigen Erblassers noch der Erben, die hierdurch unter Umständen einen großen Teil des Nachlassvermögens an den Sozialhilfeträger abtreten müssen. In Anbetracht dessen ist es nicht verwunderlich, dass Menschen, die sich mit diesem Thema auseinandersetzen, nach Maßnahmen zur Vermeidung beziehungsweise Minderung des Sozialhilferegresses suchen. Zumeist denkt man dann an eine Schenkung und nimmt so gewissermaßen eine vorweggenommene Erbfolge vor, um die Höhe des Nachlassvermögens im Erbfall zu mindern und auf diese Art und Weise auch die Regressansprüche des Sozialhilfeträgers zu reduzieren.

In der Theorie erscheint ein solches Vorgehen ohne Weiteres möglich und aus Sicht des Erblassers und der Erben durchaus sinnvoll. Praktisch ist dies allerdings so nicht durchführbar. Es steht natürlich auch Sozialhilfeempfängern frei, Schenkungen vorzunehmen, der Sozialhilfeträger kann hierbei aber Regressansprüche gegen den Beschenkten geltend machen und so erbrachte Leistungen auch von Dritten zurückverlangen. Eine Schenkung bietet folglich keinerlei Schutz vor einem drohenden Sozialregress. Die einzige Variante, die hier wirksam ist, besteht darin, dass der Sozialhilfeempfänger sein Geld selbst ausgibt und auf diese Weise das ihm gewährte Schonvermögen nutzt, um sich etwas zu gönnen.

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