Vollmacht kann als Testament fungieren

Juristische Laien sind mit der korrekten Ausdrucksweise in Zusammenhang mit rechtlichen Belangen nicht vertraut und machen hier zuweilen Fehler. So musste sich das Oberlandesgericht Hamm unlängst mit einem Fall auseinandersetzen, in dem es darum ging, ob ein als Vollmacht bezeichnetes Dokument auch als Testament gelten kann. Für die meisten Menschen dürfte es auf den ersten Blick keinen großen Unterschied machen, ob man seinen letzten Willen nun mit der Überschrift „Vollmacht“ oder „Testament“ versieht. Für Juristen sieht dies dahingegen vollkommen anders aus, denn sie greifen hier auf spezielle Begriffsdefinitionen zurück. Durch Auslegung ist dann gegebenenfalls zu ermitteln, welche Art Schriftstück der Erblasser verfassen wollte. Ist der Erbfall bereits eingetreten, kann man den Verfasser nicht mehr fragen, so dass die Wertung des Schriftstücks zur Auslegungssache wird.

Außenstehenden erscheint dies zuweilen unnötig kompliziert und irrsinnig. Wer jedoch tiefer in die Materie einsteigt, kann die Schwierigkeiten zuweilen erkennen. Dazu ist es zunächst erforderlich, die genauen Definitionen der Begriffe Vollmacht und Testament zu kennen. So werden die zum Teil gravierenden Unterschiede rasch deutlich, die Vollmachten von Testamenten abgrenzen.

Was ist ein Testament?

Unter einem Testament versteht man eine Variante der Verfügung von Todes wegen beziehungsweise letztwillige Verfügung gemäß § 1937 BGB. Dementsprechend kann ein Erblasser durch Errichtung eines Testaments seine Erben bestimmen. Dabei handelt es sich um eine einseitige Willenserklärung des Erblassers, die dieser jederzeit widerrufen kann. Die Rechtswirksamkeit erfordert allerdings eine bestimmte Form nach §§ 2232 ff. BGB.

Was ist eine Vollmacht?

Im Rahmen einer Vollmacht erteilt der Verfasser durch Rechtsgeschäft eine Vertretungsmacht, so dass der Vollmachtnehmer dazu befugt ist, im Namen des Vollmachtgebers bestimmte Rechtsgeschäfte abzuwickeln. Dementsprechend kann der Bevollmächtigte auch als Stellvertreter betrachtet werden und für den Vollmachtgeber Willenserklärungen abgeben, wobei die Stellvertretung nur bestimmte Befugnisse umfassen kann. Überschreitet der Bevollmächtigte diese, handelt er als Vertreter ohne Vertretungsmacht. Ebenfalls wissenswert ist, dass die Erteilung einer Vollmacht formlos erfolgen kann.

OLG Hamm urteilt: Auch Vollmacht kann Testament sein

Bei näherer Betrachtung wird deutlich, dass die Begriffe Vollmacht und Testament zwei vollkommen unterschiedliche Dinge meinen. Wer sich zu Lebzeiten um die Regelung des eigenen Nachlasses kümmern und so klare Verhältnisse schaffen möchte, sollte sich dessen bewusst sein und bei der richtigen Wortwahl gegebenenfalls von einem Rechtsanwalt oder Notar unterstützen lassen. In der Praxis geschieht dies aber längst nicht immer. Nur ein Bruchteil aller Menschen kümmert sich überhaupt um derartige Angelegenheiten, denn viele Menschen scheinen hier eher einer Verdrängungstaktik zu folgen. Diejenigen, die sich dem widersetzen und zu Lebzeiten aktiv werden, um ihre künftigen Erben nicht im Ungewissen zurückzulassen, sind aber nicht vor Fehlern gefeit. Dies zeigt unter anderem ein Fall, mit dem sich vor einiger Zeit das Oberlandesgericht Hamm (Az.: 10 U 64/16) befassen musste. In dem verhandelten Fall musste das Gericht der Frage nachgehen, ob ein als Vollmacht bezeichnetes Schriftstück auch als Testament gelten könne.

Im vorliegenden Fall hatte die Erblasserin ihrer Nichte eine „Vollmacht“ für ihr Bank- und Bausparkassenguthaben erteilt. Zudem lag noch ein als Testament bezeichnetes Schriftstück vor, in dem sie ihren Schwestern eine Immobilie übertrug. Letzteres konnte zweifellos als letztwillige Verfügung gewertet werden, während die Bedeutung des zweiten Schriftstücks, das die Erblasserin als „Vollmacht“ überschrieben hatte, Fragen aufwarf. Die begünstigte Nichte bekam vor Gericht Recht, denn das OLG Hamm urteilte schlussendlich, dass auch in dem als Vollmacht überschriebenen Dokument ein rechtswirksames Testament zu sehen sei. Die Nichte hatte somit mit ihrer Klage Erfolg und konnte sich anschließend das betreffende Guthaben auszahlen lassen, wie es die Erblasserin schriftlich fixiert hatte. Ausschlaggebend war hier auch, dass aus dem Schriftstück eindeutig hervorging, dass die Nichte das Geld über den Tod der Verfasserin hinaus behalten solle.

Das Urteil des OLG Hamm vom 10.05.2017 (Az.: 10 U 64/16) zeigt somit, dass auch Vollmachten als Testamente gelten können. Allerdings sind Vollmachten keineswegs grundsätzlich zugleich als Verfügungen von Todes wegen zu sehen, denn grundsätzlich gibt es schon gravierende Unterschiede. So muss stets der Einzelfall betrachtet und der jeweilige Willen des Erblassers ergründet werden.

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