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Verhindert der Gesetzgeber Pflichtteilsentziehungen?

Obwohl in Deutschland eine allgemeine Testierfreiheit gilt, sind künftige Erblasser bei der erbrechtlichen Verteilung ihres Vermögens im Zuge der Errichtung eines Testaments nicht vollkommen frei. Grundsätzlich ist es natürlich jedem selbst überlassen, wen er als Erbe benennt und wer testamentarisch enterbt werden soll. Nichtsdestotrotz hat die Testierfreiheit zumindest hierzulande ihre Grenzen. So greift der Gesetzgeber durch die Pflichtteilsregelung sogar recht massiv in die Testierfreiheit ein.

Laut Bundesverfassungsgericht handelt es sich bei dem Pflichtteilsrecht um eine besondere Form des Verwandtenerbrechts, sodass dieses nicht gegen die Verfassung verstößt. Im Zuge des Pflichtteilsrecht werden schließlich nur die nächsten Angehörigen, die Abkömmlinge und der überlebende Ehegatte bzw. Lebenspartner, bevorteilt und vor einer gänzlichen Enterbung geschützt. Falls der Erblasser in seinem Testament einen dem pflichtteilsberechtigten Personenkreis zugehörigen Erben enterbt, geht dieser also nicht leer aus. Stattdessen sieht der deutsche Gesetzgeber für solche Fälle vor, dass der Enterbte die Hälfte des gesetzlichen Erbteils erhält, der ihm ohne testamentarische Enterbung zugestanden hätte.

Die Pflichtteilsentziehung

Trotz Pflichtteilsregelung besteht im deutschen Erbrecht durchaus die Möglichkeit, pflichtteilsberechtigte Erben vollständig zu enterben. Eine solche Pflichtteilsentziehung erfolgt auf Basis von § 2336 BGB und muss von dem Erblasser selbst im Rahmen dessen Verfügung von Todes wegen angeordnet werden. Dies ist aber nur in bestimmten Ausnahmefällen möglich und erfordert triftige Gründe. So reicht es nicht aus, wenn der Erblasser in seinem Testament oder Erbvertrag angibt, dass ein bestimmter Erbe enterbt wird und auch keinen Pflichtteil erhalten soll. Stattdessen muss der Testator in seiner Verfügung von Todes wegen mindestens den Kernsachverhalt schildern, der die Grundlage für die Pflichtteilsentziehung bildet.

Folglich knüpft der Gesetzgeber die Pflichtteilsentziehung an strenge Auflagen und erlaubt diese nur in Ausnahmefällen. Aber selbst wenn ein anerkannter Grund vorliegt, erfolgt die Pflichtteilsentziehung nicht automatisch, weil der Erblasser dies in seinem Testament ausführlich darlegen muss, um eine Pflichtteilsentziehung zu erwirken. Der Gesetzgeber verhindert Pflichtteilsentziehungen also nicht direkt, sondern erschwert diese vielmehr. Für Laien bedeutet dies aber, dass sie sich unbedingt an einen erfahrenen Anwalt oder Notar wenden sollten, damit die gewünschte Pflichtteilsentziehung nach ihrem Tod auch tatsächlich durchgesetzt wird.

Gründe für eine Pflichtteilsentziehung

In § 2333 BGB sind die zulässigen Gründe für eine Pflichtteilsentziehung exakt definiert. Demnach kann der Erblasser verfügen, dass ein Erbe, der sich einer vorsätzlichen Straftat schuldig gemacht hat und zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt wurde, vollkommen leer ausgeht. Auch bei Erben, die dem Erblasser selbst, dessen Ehegatten oder einem der Abkömmlinge des Erblassers nach dem Leben trachten, ist eine Pflichtteilsentziehung möglich. Dies trifft ebenfalls zu, wenn sich der Erbe eines Verbrechens oder schweren Vergehens gegenüber diesen Personen schuldig gemacht hat. Darüber hinaus erkennt der deutsche Gesetzgeber auch körperliche Misshandlungen des Erblassers durch einen Erben oder die Verletzung der Unterhaltspflicht gegenüber dem Erblasser als Grund für eine Pflichtteilsentziehung an.

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