Erbschaftsrecht für Auswanderer

Der Heimat den Rücken zu kehren und in einem anderen Land neu anzufangen, ist ein großer Schritt, der im Vorfeld gut bedacht werden will, schließlich ändert sich durch die Auswanderung das gesamte Leben. Auswanderer lassen oftmals alles zurück und sich auf ein wagemutiges Abenteuer ein. Das gesamte soziale Umfeld wird im Zuge dessen zurückgelassen, denn Auswanderer hinterlassen in der Heimat ihren Freundeskreis sowie die Familie und müssen im Ausland vollkommen neu anfangen. Dies bezieht sich allerdings nicht nur auf soziale Kontakte, sondern auf das gesamte Leben der Auswanderer. So müssen sich diese nach einer neuen Wohnung umsehen und in der Regel auch eine Arbeitsstelle finden, um ihren Traum vom Leben im Ausland verwirklichen zu können. Hierbei sollte man aber auch an die Zukunft denken und sich früher oder später mit dem Erbschaftsrecht für Auswanderer beschäftigen.

Andere Länder andere Vorschriften auch beim Vererben

Viele Menschen zieht es im Zuge einer Auswanderung zwar ins Ausland, doch aus verschiedenen Gründen bietet sich eine Auswanderung innerhalb der EU an. Dank der geltenden Gesetze kann man sich als EU-Bürger schließlich an einem Ort seiner Wahl niederlassen, sofern man für seinen Lebensunterhalt aufkommen kann. Visa-Probleme entstehen innerhalb der Europäischen Union also nicht, so dass eine solche Auswanderung mit mehr oder weniger geringer Bürokratie auskommt. Hinsichtlich des Erbrechts ergeben sich hierbei aber dennoch viele Fragen, denn jeder Staat verfügt über eigene Regelungen, die unter anderem den erbrechtlichen Bestimmungen des Heimatlandes widersprechen. Anhand eines simplen Beispiels lässt sich die Komplexität des Erbschaftsrechts für Auswanderer leicht verdeutlichen. 

Das Internationale Privatrecht der Bundesrepublik Deutschland basiert in Sachen Erbrecht auf dem Staatsangehörigkeitsprinzip, so dass die Staatsangehörigkeit des Erblassers darüber entscheidet, welches Erbrecht anzuwenden ist. Für deutsche Auswanderer gelten demnach die erbrechtlichen Bestimmungen des BGB, unabhängig davon, dass sich ihr letzter Wohnort im Ausland befand. Beispielsweise in den Niederlanden ist dahingegen das Wohnsitzprinzip im Zusammenhang mit einer Erbschaft das Maß aller Dinge. Der niederländische Gesetzgeber sieht demnach vor, dass der Nachlass eines Erblassers, der seinen letzten Wohnsitz in den Niederlanden hatte, auch nach niederländischem Recht geregelt wird. Im Falle eines deutschen Auswanderers mit Wohnsitz in den Niederlanden stellt sich somit die Frage, welches Erbrecht im Erbfall relevant ist.

EU-Erbrechtsreform – Mehr Klarheit für Auswanderer

Auswanderer, die innerhalb der EU bleiben, haben zwar im Allgemeinen weniger Probleme, was Aufenthaltsgenehmigungen betrifft, müssen aber berücksichtigen, dass in Sachen Erbschaften keine Einigkeit im vereinten Europa herrscht. Die EU-Erbrechtsreform soll dies allerdings ändern und eine einheitliche Basis für internationale Erbfälle innerhalb der EU schaffen. Für Auswanderer würde dies eine erhebliche Erleichterung bedeuten, schließlich gäbe es so deutlich mehr Klarheit für sie.

Im Rahmen der EU-Erbrechtsreform soll es künftig ein europäisches Nachlasszeugnis geben, das als internationaler oder europäischer Erbschein fungiert und den Erben den Umgang mit den verschiedenen Behörden und öffentlichen Stellen deutlich erleichtert. Ein ebenfalls wichtiger Aspekt des neuen EU-Erbrechts soll die Tatsache sein, dass das Wohnsitzprinzip als Grundsatz gilt. Demnach ist in Erbfällen mit Auslandsberührung innerhalb der EU der letzte Wohnsitz des verstorbenen Erblassers dafür ausschlaggebend, welches Erbrecht anzuwenden ist. Widersprüchliche Prinzipien sollen so vermieden werden. Zudem soll es künftig ein Wahlrecht im europäischen Erbrecht geben.

Die europäische Erbrechtsverordnung, die vom EU-Parlament angenommen wurde und somit in der Europäischen Union gelten wird, ist folglich zunächst positiv zu werten. Juristische Laien tun sich mit erbrechtlichen Angelegenheiten ohnehin schwer und haben in internationalen Erbfällen innerhalb der EU fortan nicht mehr damit zu kämpfen, welches Erbrecht konkret zuständig ist. Dank der EU-Erbrechtsreform wird dies klar auf der Hand liegen, schließlich ist der Wohnsitz des Erblassers entscheidend. Für Auswanderer und deren Familien ist die Neuregelung des europäischen Erbrechts somit vorteilhaft, da so unnötige Unsicherheiten und große Verwirrung vermieden werden können.

Testamentserrichtung für Auswanderer

Obwohl die EU-Erbrechtsreform Auswanderern hinsichtlich der Nachlassregelung eine große Erleichterung verschafft, dürfen es diese nicht versäumen, sich bei Zeiten mit dem Erbschaftsrecht zu befassen und gegebenenfalls entsprechend vorzusorgen. Wer beispielsweise seinen Lebensabend unter italienischer Sonne verbringt und dort seinen letzten Wohnsitz hat, unterliegt dem neuen europäischen Erbrecht nach dem italienischen Erbrecht. Das gleiche gilt für Auswanderer, die in Spanien ihr Glück versuchen, denn hier gilt das Erbrecht Spaniens. Deutsche Auswanderer bevorzugen allerdings mitunter das deutsche Erbrecht. Ist dies der Fall, ist eine entsprechende Verfügung von Todes wegen unerlässlich. Beim Testament verfassen kann der Auswanderer dann festlegen, dass in seinem Erbfall das deutsche Erbrecht anzuwenden ist. Aufgrund der zum Teil erheblichen Unterschiede der einzelnen Rechtssysteme sollten sich vor allem Auswanderer intensiv mit dem Erbrecht befassen und frühzeitig eine Entscheidung treffen, um gegebenenfalls noch ein Testament errichten zu können.

Auswanderer, die es weiter in die Ferne zieht, sollten ebenfalls über eine Testamentserrichtung nachdenken. Die letztwillige Verfügung sollte dann der Gesetzgebung des Landes entsprechen, das die neue Heimat des Erblassers ist, damit es bezüglich der Anerkennung in dem betreffenden Staat keine Probleme gibt. Der deutsche Gesetzgeber akzeptiert ein derartiges Testament ebenfalls ohne Weiteres, denn dem deutschen IPR zufolge ist ein Testament, das den Vorschriften des Landes entspricht, in dem es errichtet wurde, rechtswirksam.

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