Scharia im Erbrecht
In der westlichen Welt ist den meisten Menschen nicht klar, worum es sich bei der sogenannten Scharia handelt. Diese wird im Allgemeinen unter anderem mit Strafen in Zusammenhang gebracht, die im Widerspruch zu den geltenden Menschenrechten stehen. Zudem wird die Scharia als vollkommener Gegensatz zur Demokratie und Rechtsstaatlichkeit betrachtet. Diese Sichtweise erweist sich jedoch als recht eindimensional, denn die Scharia ist in der islamischen Welt für gewöhnlich in religiösen und juristischen Angelegenheiten mehr oder weniger das Maß aller Dinge.
So kann die Scharia im Allgemeinen als islamisches Rechtssystem bezeichnet werden, wobei dieses nicht mit den Rechtssystemen vergleichbar ist, die in der westlichen Welt Anwendung finden. Der wohl größte und gravierendste Unterschied ist die Tatsache, dass nach der Scharia keine Trennung von Staat und Religion stattfindet. Die Scharia steht für die Gesamtheit der Gesetze und differenziert hierbei nicht zwischen religiösen und juristischen Vorschriften. Darüber hinaus gilt es weiterhin zu beachten, dass sich die Scharia durch ein hohes Maß an Flexibilität auszeichnet. Während beispielsweise in Deutschland das Bürgerliche Gesetzbuch mit dem BGB Erbrecht und gegebenenfalls noch weitere Gesetzbücher für alle juristischen Aspekte Paragraphen beinhalten, gestaltet sich dies in der Scharia anders. Die islamische Scharia besteht aus einer Vielzahl an Normen, die im konkreten Fall stets noch einer Interpretation bedürfen und somit gewissermaßen Auslegungssache sind.
Das Erbrecht in der Scharia
Wer ein Erbrecht nach europäischem Vorbild sucht, wird in der Scharia nicht fündig, denn das islamische Rechtssystem kennt ein solches nicht. Nichtsdestotrotz ist die Scharia natürlich auch in dieser Hinsicht die Basis aller juristischen Entscheidungen. Grundsätzlich versteht sich diese als Instanz, die sicherstellt, dass das Erbrecht dem Gesetz entspricht und jeder Einzelne seinen Verpflichtungen Gott gegenüber nachkommt, während seine Beziehungen zu seinen Mitmenschen natürlich ebenfalls diesem Gesetz entsprechen müssen.
Die Grundzüge des Erbrechts der Scharia finden sich bereits im Koran, der Heiligen Schrift der Muslime, und sind somit religiös begründet. Hieraus ergibt sich unter anderem die Tatsache, dass die Verwandtenerbfolge, also wie das deutsche Familienerbrecht auch im Islam die Grundlage der Erbfolge bildet. Gleichzeitig wird die Testierfreiheit des künftigen Erblassers hierdurch eingeschränkt.
Grundsätzlich sieht die Scharia die Errichtung des Testament verfassens vor, doch der Testator kann lediglich über ein Drittel seines Nachlasses frei verfügen. Zudem darf ein Drittel des Erbes für religiöse Verpflichtungen eingesetzt werden, denen der Erblasser zu Lebzeiten nicht nachgekommen ist. Nach dem Erbrecht der Scharia besteht somit die Möglichkeit, eine andere Person als Vertretung eine noch ausstehende Pilgerfahrt unternehmen zu lassen. Bei dem restlichen Drittel des Nachlasses handelt es sich um den sogenannten Pflichterbanteil. Dies ähnelt wiederum auch dem im deutschen Erbrecht verankerten Pflichtteil.