Erbanspruch auf gemachte Geschenke?

Im Zusammenhang mit erbrechtlichen Angelegenheiten stellt sich oftmals die Frage, ob ein Erbanspruch auf bereits gemachte Geschenke besteht. Angesichts der Tatsache, dass viele Erblasser die gesetzliche Erbfolge mithilfe einer vorzeitigen Schenkung umgehen wollen, ist diese Frage absolut berechtigt, schließlich werden durch solch gemachte Geschenke die Erbteile der anderen Erben mitunter erheblich gemindert.

Auch der Gesetzgeber hat längst erkannt, dass viele Erblasser Schenkungen dem eigentlichen Vererben vorziehen und auf diese Art und Weise versuchen, bestimmte Erben zu bevorteilen. Mithilfe entsprechender Gesetze wird dies zumindest hierzulande eingedämmt, indem ein Ausgleich im Laufe des Nachlassverfahrens stattfindet.

Erbanspruch bei Schenkungen

Hat der Erblasser noch Schenkungen zu Lebzeiten (§ 516 Absatz 1 iVm BGB) vorgenommen, wirkt sich dies also durchaus auf den Erbanspruch der restlichen Erben aus. Hierbei gilt jedoch zu bedenken, dass kein direkter Erbanspruch auf die gemachten Geschenke besteht. Der Erblasser hat zu Lebzeiten verfügt, dass der Beschenkte Eigentümer bestimmter Vermögens- oder Geldwerte wird. Da es jedem Menschen natürlich frei steht, sein Eigentum auf Dritte zu übertragen, kann eine solche Entscheidung auch im Rahmen eines Nachlassverfahrens nicht rückgängig gemacht werden. Der Erbfall begründet lediglich einen Anspruch für die Berechtigten, angemessen am Nachlass beteiigt zu werden.

Schenkungen und Pflichtteilsergänzungsanspruch

Unter gewissen Umständen ist es dahingegen aber möglich, einen Ausgleich zu verlangen. In einem solchen Fall spricht man von einem Pflichtteilsergänzungsanspruch, denn so wird die Differenz zwischen der tatsächlichen Erbschaft und dem gesetzlichen Pflichtteil ausgeglichen.

Liegt die Erbschaft eines Erben unter dem Pflichtteil, der ihm eigentlich gesetzlich zusteht, hat dieser einen juristischen Anspruch auf eine Pflichtteilsergänzung. Da auch Schenkungen bei der Berechnung des Pflichtteils hinzugezogen werden, erfährt der betroffene Erbe zumindest in gewisser Hinsicht einen Ausgleich. Im Zuge eines Pflichtteilsergänzungsanspruchs kann es demnach also durchaus vorkommen, dass der Beschenkte dem benachteiligten Erben gegenüber zur Zahlung eines Ausgleichs verpflichtet ist.

Grundsätzlich kann man also sagen, dass zwar kein direkter Erbanspruch auf bereits gemachte Geschenke bestehen kann, ein indirekter Erbanspruch in Form eines Pflichtteilsergänzungsanspruchs ist dahingegen durchaus möglich und keine Seltenheit. Angesichts der Komplexität einer solchen Angelegenheit, sollten Laien einen Experten auf dem Gebiet des Erbrechts hinzuziehen, denn dieser kennt die Gesetze, Fristen und Freibeträge und kann so das beste Ergebnis erzielen.

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