Erbschaftssteuerpflicht wegen unterschiedlicher Testamente

Grundsätzlich verschafft eine so genannte Verfügung von Todes wegen Klarheit und gibt genau vor, wie der Nachlass der oder des Verstorbenen unter den Erben aufgeteilt werden soll. Auch hinsichtlich der Erbschaftssteuer ist dies von zentraler Bedeutung, schließlich ergibt sich aus den erbrechtlichen Ansprüchen die Erbschaftssteuerpflicht des jeweiligen Erben. In vielen Fällen gestaltet sich die Situation jedoch alles andere als eindeutig, so dass selbst bei Vorliegen eines Testaments nicht alle offenen Fragen geklärt werden können.

Insbesondere, wenn mehrere Testamente vorliegen, ist die Verwirrung oftmals groß, weil zunächst geklärt werden muss, welche Verfügung von Todes wegen Anwendung finden soll. Dies ist aber häufig nicht so einfach möglich und kann mitunter selbst im Zuge eines gerichtlichen Verfahrens nicht eindeutig festgestellt werden. Streitigkeiten zwischen den vermeintlichen Erben in dem einen oder anderen Testament sind in einem solchen Fall praktisch vorprogrammiert.

Erbvergleich und Erbschaftssteuer

Hat der verstorbene Erblasser beispielsweise in verschiedenen Testamenten unterschiedliche Personen als Alleinerbe eingesetzt, ergibt sich hieraus ein schwerwiegendes Problem. Häufig einigen sich die Betroffenen im Endeffekt, so dass einer die erbrechtlichen Ansprüche für sich geltend macht, während der andere vermeintliche Alleinerbe durch einen im Rahmen des Prozesses beschlossenen Erbvergleich begünstigt wird und somit keiner leer ausgeht.

In finanzrechtlicher Hinsicht stellt sich im Zuge dessen die Frage, ob der Erbvergleich einen Erwerb von Todes wegen darstellt und folglich auch erbschaftssteuerpflichtig ist. Der Bundesfinanzhof musste erst jüngst hierzu Stellung nehmen und ein Urteil fällen. Das zuständige Finanzamt betrachtete die Abfindung als erbschaftssteuerpflichtigen Erwerb, obgleich es sich hierbei um keinen juristisch als erbschaftssteuerpflichtigen Vorgang handelt. Der Erwerber erhob Einspruch und Klage, doch das Finanzgericht sah einen direkten Zusammenhang zwischen der Abfindung und dem Erbfall und bestand daher auf die geforderte Erbschaftssteuer.

Erst das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 4. Mai 2011 (II R 34/09) machte der Ungewissheit ein Ende und sorgte für Klarheit, was die erbschaftssteuerliche Berücksichtigung von Abfindungszahlungen im Rahmen eines Erbvergleichs (Erbverzichtsvertrag) betrifft. Entgegen vorheriger Urteile entschied der Bundesfinanzhof, dass für Abfindungen keine Erbschaftssteuerpflicht besteht. Demzufolge müssen nur diejenigen Erbschaftssteuer an die Finanzbehörden abführen, denen die Erbschaft auch zufällt. Wer lediglich durch einen Vergleich begünstigt wird, unterliegt demnach nicht der Erbschaftssteuer.

Ein Erbvergleich hat demnach direkte Auswirkungen auf die Erbschaftssteuer und ist in diesem Zusammenhang von zentraler Bedeutung. Personen, die sich auf einen Erbvergleich einlassen, damit die gerichtlichen Auseinandersetzungen endlich ein Ende haben, sollten sich dessen bewusst sein und die Rechtslage kennen, um im Zweifelsfall nicht fälschlicherweise zur Kasse gebeten zu werden und Erbschaftssteuer ans Finanzamt zahlen, obgleich sie lediglich eine Abfindung erhalten haben.

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