Erbrechtsverordnung für Europa

Die Regelung des Erbrechts obliegt im Allgemeinen jedem Staat selbst, so dass zwischen einzelnen Staaten im Zusammenhang mit dem Erbrecht bei einer Vermögensübergabe oder dem Immobilien im Ausland erben sowie dem Steuerrecht auf Erbschaften durchaus gravierende Differenzen existieren können. In der Bundesrepublik Deutschland ist beispielsweise das Fünfte Buch des Bürgerlichen Gesetzbuches die juristische Basis für das Erbschaftsrecht, das hierzulande zusätzlich auch grundgesetzlich zugesichert wird.

Art. 25 EGBGB ist in Deutschland das Heimatrecht des verstorbenen Erblassers ausschlaggebend dafür, welches Erbrecht in dem konkreten Erbfall Anwendung findet. Deutsche Staatsangehörige werden demnach dem deutschen Erbrecht entsprechend behandelt, während für Ausländer das Erbrecht ihres jeweiligen Heimatstaates, z.B. italienisches Erbrecht oder das Erbrecht Spaniens usw., zum Einsatz kommt. In anderen Ländern ist dahingegen mitunter nicht die Nationalität, sondern der Wohnsitz entscheidend, so dass mitunter an das deutsche Erbrecht zurückverwiesen wird. Insbesondere in Erbfällen mit Auslandsberührung ergibt sich somit eine enorme Komplexität, die es juristischen Laien nahezu unmöglich macht, die Bedingungen des jeweilig geltenden Erbrechts zu überblicken. Auch für Juristen ist dies immer wieder eine große Herausforderung. Zudem existieren zwischen verschiedenen Staaten Doppelbesteuerungsabkommen und bei anderen hingegen nicht, weshalb sich die Frage stellt: „Wo muss ich Steuern zahlen?“.

EU-Erbrechtsverordnung – Einheitliches Erbrecht für Europa

Insbesondere innerhalb der Europäischen Union hat sich diese Situation in den vergangenen Jahren als mehr oder weniger problematisch erwiesen. Als EU-Bürger kann man sich in einem Mitgliedsstaat seiner Wahl niederlassen, ohne besondere Voraussetzungen erfüllen zu müssen. Dieser Umstand und die offenen Grenzen haben maßgeblich dazu beigetragen, dass viele Europäer zumindest zeitweise nicht in ihrem Heimatstaat, sondern im EU-Ausland leben. Tritt der Erbfall ein, kann dies zu komplizierten Sachverhalten führen.

Der Rat der EU-Justizminister hat sich bereits seit geraumer Zeit um eine Vereinheitlichung des Erbrechts in Europa bemüht und am 08. Juni 2012 die EU-Erbrechtsverordnung angenommen. Diese schafft eine einheitliche Gesetzesgrundlage für das EU oder internationale Erbrecht und ist somit die Grundlage für internationale Erbfälle innerhalb der Europäischen Union. So wurde in der jüngsten Vergangenheit auch schon die Voraussetzung geschaffen für ein Internationales Testament nach dem Washingtoner Abkommen. Erbfälle ohne Auslandsbezug obliegen nach wie vor ausschließlich der nationalen Gesetzgebung, wenn aber auch das Erbrecht eines anderen EU-Staates involviert ist, kommt die EU-Erbrechtsverordnung zum Einsatz. Vor dieser einheitlichen Erbrechtsverordnung für die EU gab es nur wenige erbrechtliche Regelungen, die EU-weit galten.

Vor allem wenn völlig verschiedene Grundsätze in internationalen Erbfällen aufeinanderprallen, stellt sich regelmäßig die Frage, welches Erbrecht nun relevant ist. Während ein Staat der Zuständigkeit des Erbrechts die Staatsangehörigkeit zugrundelegt, ist andernorts der letzte Wohnsitz des verstorbenen Erblassers entscheidend. Rückverweisungen waren somit häufig der Fall und stifteten Verwirrung. Die EU-Erbrechtsverordnung sorgt zumindest innerhalb der Europäischen Union für Klarheit. So entscheidet hierbei der letzte gewöhnliche Wohnsitz eines verstorbenen Erblassers darüber, welches Erbrecht in dem konkreten Fall zum Einsatz kommt. Die Staatsangehörigkeit des Verstorbenen ist im Zuge der EU-Erbrechtsverordnung somit irrelevant und wirkt sich in keinster Weise auf die Zuständigkeit des Erbrechts aus.

Einheitliche Basis für internationales Erbrecht

Mit der Annahme der EU-Erbrechtsverordnung am 08. Juni 2012 ist diese noch nicht in Kraft getreten. Ab 2015 soll diese wirksam werden und von da an eine einheitliche Basis für internationale Erbfälle innerhalb der EU schaffen. Bis dahin bleibt den einzelnen Mitgliedsstaaten genug Zeit, ihr nationales Erbrecht entsprechend anzupassen. Ebenfalls zu berücksichtigen ist die Tatsache, dass Großbritannien, Irland und Dänemark der einheitlichen EU-Erbrechtsverordnung nicht zugestimmt haben. Dies hat zur Folge, dass das neue EU-Erbrecht nicht in diesen Ländern und wohl nur in der restlichen Europäischen Union zum Einsatz kommen wird. Bislang hat die EU-Erbrechtsverordnung ihr Ziel, eine einheitliche Grundlage für das Erbrecht in der EU zu schaffen, somit gewissermaßen verfehlt, wobei die EU-Erbrechtsverordnung bis auf diese Ausnahmen in der gesamten EU gelten und somit für deutlich klarere Verhältnisse sorgen wird.

Ein komplett einheitliches Erbrecht für Europa wird es demzufolge zumindest zunächst nicht geben. Doch auch die Internationale Nachlassvollmacht kann den Erben das weitere Handeln beim ausländischen Vermögen erleichtern. Wer also ein Haus im Ausland vererben will sollte sich mit den Regelungen der Erbrechtsverordnung für Europa und des Internationalen Erbrechts vertraut machen.

Weiterhin darf man nicht außer Acht lassen, dass die EU-Erbrechtsverordnung keineswegs das Ziel hat, die nationalen Bestimmungen des Erbrechts zu ersetzen. Stattdessen soll diese Verordnung vielmehr eine Ergänzung darstellen und für mehr Sicherheit im Zusammenhang mit Erbfällen mit EU-Auslandsbezug sorgen.

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