Lesensunkundiger Erblasser
Grundsätzlich bestehen in der Bundesrepublik Deutschland mehrere Möglichkeiten, ein rechtskräftiges Testament zu errichten. So wird hierzulande beispielsweise das handschriftliche Testament vollkommen akzeptiert. Darüber hinaus kann die letztwillige Verfügung auch öffentlich vor einem Notar errichtet werden. Neben diesen beiden ordentlichen Formen der Testaments-Eröffnung ist zudem unter anderem ebenfalls ein Nottestament möglich.
Lesensunkundiger Erblasser erstellt öffentliches Testament
Für einen Erblasser, der nicht lesen kann, sieht der deutsche Gesetzgeber jedoch andere Regelungen vor. In einem solchen Fall ist ausschließlich ein öffentliches Testament erlaubt, obgleich auch hierfür besondere Vorschriften gelten. Nach § 2.247 Abs. 4 des Bürgerlichen Gesetzbuches können lesensunkundige Erblasser ausschließlich vor einem amtlich anerkannten Notar testieren, wobei die Übergabe einer Schrift nicht zulässig ist. Der Erblasser muss dem Notar gegenüber seinen letzten Willen ausdrücklich erklären, sodass dieser für den lesensunkundigen Erblasser ein rechtskräftiges Testament errichten kann. Diese Regelung, die in § 2.233 Abs. 2 BGB zu finden ist, soll einen etwaigen Missbrauch verhindern und Menschen, die nicht lesen können, die Möglichkeit geben, ihren letzten Willen wirksam abzufassen.
Lesensunkundiger Erblasser – die Krankheitsbilder
Vor dem deutschen Gesetz gelten aber keineswegs nur Analphabeten als lesensunkundig, schließlich existieren zahlreiche Krankheitsbilder, die es dem Betroffenen unmöglich machen, Schriftstücke zu lesen. Dies trifft beispielsweise auf Blinde oder Menschen mit einer stark fortgeschrittenen Sehbehinderung, wie zum Beispiel einer Makula-Degeneration zu. Viele Menschen, die unter einer starken Beeinträchtigung ihrer Sehfähigkeit leiden oder vollkommen erblindet sind, erledigen ihren gesamten Schriftverkehr zwar mithilfe entsprechender Gerätschaften wie einer Blinden-Schreibmaschine selbständig, doch für die Errichtung eines Testaments ist dies nicht möglich.
Aus diesem Grund müssen blinde oder sehbehinderte Erblasser stets einen Notar aufsuchen, um ihre letztwillige Verfügung abzugeben. Ist der Erblasser zudem noch taub oder stumm, muss nach §§ 22,25 BeurkG ein zweiter Notar oder zumindest ein weiterer Zeuge bei der öffentlichen Errichtung des Testaments zugegen sein. Darüber hinaus kann der Erblasser einen Gebärdendolmetscher hinzuziehen, um sich besser verständlich machen zu können.