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Pflichtteilsanspruch höher bei Lebensversicherungen?

Das Erbrecht bestimmt bei gesetzlicher Erbfolge, wer welchen Teil vom Nachlass bekommt. Wer indes ein Testament macht oder das Bezugsrecht für seine Versicherungen festlegt, sollte angeben, wer welchen Anteil erhalten soll, falls er mehrere bedenken will. Denn fehlt eine solche Anweisung beim Bezugsrecht, wird die Versicherung an alle Begünstigten den gleichen Anteil zahlen. Das Bezugsrecht lässt sich überdies für eine bestimmte Zeit befristen. So kann ein Familienvater neben der Ehefrau seine Kinder begünstigen wollen, solange sie klein sind, nicht aber mehr, wenn sie auf eigenen Füßen stehen. Dies lässt sich erreichen, indem das Bezugsrecht für ein Kind nur bis zu einem bestimmten Alter (etwa dem 21. oder 27. Lebensjahr) gelten soll.

Daher ist die Einräumung von Bezugsrechten aus Lebensversicherungen ein gängiges Mittel bei der Nachlassregelung, damit es später keinen Streit um das Erbe gibt. Wird jedoch jemand auf den Pflichtteil verwiesen und der Erbe erhält Leistungen aus einer Lebensversicherung des Erblassers, hat der Enterbte einen so genannten Pflichtteilsergänzungsanspruch. Nach Ansicht der Karlsruher Bundesrichter ist hierbei grundsätzlich der Rückkaufswert unmittelbar vor dem Tode des Erblassers maßgeblich (BGH, Urteil vom 28. April 2010 – IV ZR 73/08).

Rückkaufwert der Lebensversicherung

Maßgeblich wird also stets auf den Rückkaufswert einer Lebensversicherung abgestellt. Ausnahme: Der Erblasser hätte die Ansprüche aus der Lebensversicherung zu einem höheren Veräußerungswert verkaufen können. In diesem Fall ist ausnahmsweise der höhere Wert maßgeblich. Was allerdings die Bestimmung des Marktwertes anbelangt, dürfen weder persönliche Faktoren wie Krankheit noch die Lebenserwartung des Erblassers eine Berücksichtigung finden. Vielmehr kommt es bei der Bestimmung des Marktwertes immer auf die objektiven Kriterien an.

Mit einem weiteren Urteil des Bundesgerichtshofs vom 28.04.2010 (Az. IV ZR 230/08) wurde zudem entschieden, dass Lebensversicherungen mit dem so genannten Rückkaufswert auch bei der Berechnung von Pflichtteilergänzungsansprüchen, dieser fällt an beim Enterben von gesetzlich Berechtigten, zu bewerten sind. Denn schließt ein Erblasser seine nächsten Angehörigen ganz oder teilweise vom Erbe aus oder beeinträchtigt er den Anteil am Nachlass durch Schenkungen zu Lebzeiten erheblich, können diese Angehörigen Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche gelten machen. Als Pflichtteilsberechtigte kommen zunächst die Kinder und Ehegatten des Erblassers in Betracht, unter besonderen Umständen auch Enkel oder Urenkel bzw. die Eltern des Erblassers.

Der Pflichtteilsanspruch errechnet sich aus dem Wert des vorhandenen Nachlasses und der Erbquote des Pflichtteilsberechtigten. Hat der Erblasser zu Lebzeiten Vermögen verschenkt, hilft der reine Pflichtteilsanspruch nicht weiter. Das verschenkte Vermögen befindet sich nicht mehr Nachlass und wird deshalb auch bei der Pflichtteilsberechnung nicht berücksichtigt. In diesen Fällen kommt ein so genannter Pflichtteilsergänzungsanspruch in Betracht. Das Verschenkte wird dem vorhandenen Nachlass fiktiv hinzugerechnet und aus dem so erhöhten Nachlasswert wird wieder der Pflichtteil errechnet. Der Unterschiedsbetrag zwischen dem ursprünglichen Pflichtteil und dem fiktiv höher errechneten Pflichtteil wird als Pflichtteilsergänzung bezeichnet.

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